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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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nickte, während sein Stellvertreter MontJohn Rescue mit volltönender Stimme das Programm der Gute-Ernte- Partei verkündete und dabei mit dem Zeigefinger kämpferisch in den Saal stach. Hin und wieder unterbrach er sich, um den dicken Schal zu richten, den er trotz der Wärme um den Hals trug.
    Ratsmitglieder dösten selig, von Staub umfächelt.
    In anderen Teilen des Gebäudes, in den Fluren und Gängen – wie absichtlich als verwirrendes Labyrinth angelegt – eilten korrekt gekleidete Schreiber und Büroboten geschäftig aneinander vorbei. Von den breiten Fluren zweigten rechts und links kleine, gewölbte Stichgänge zu Treppen aus blankem Marmor ab. Viele davon waren unbeleuchtet und verlassen. In einem davon war ein alter Mann mit einer klapprigen Sackkarre unterwegs.
    Während er den Karren eine steile Treppe hinaufruckte, wurde die lärmende Betriebsamkeit des Foyers immer leiser und war schließlich gar nicht mehr zu hören. Die Stufen waren kaum breiter als sein Karren: Es war ein langer, anstrengender Aufstieg. Oben angekommen blieb er stehen und wischte sich den Schweiß von der Stirn und um den Mund herum ab, dann setzte er sich schlurfend wieder in Bewegung, den ansteigenden Flur hinauf.
    Vor ihm wurde es heller, wo Ausläufer von Sonnenstrahlen sich um eine Ecke tasteten. Dahinter empfingen ihn blendendes Licht und Wärme. Sonnenschein strömte durch ein Oberlicht und dahinter durch die Fenster des türlosen Büros am Ende des Flurs.
    »’n Morgen, Sir«, krächzte der alte Mann beim Eintreten.
    »Auch Ihnen einen guten Morgen«, kam die Erwiderung von dem Mann hinter dem Schreibtisch.
    Es war ein kleines, quadratisches Gelass mit schmalen Fenstern aus Rauchglas, die auf Griss Fell und das Hochgleis der Sud Line hinausblickten. Es teilte sich eine Wand mit der jähen schwarzen Masse des Hauptgebäudes, in dieser befand sich eine kleine Schiebetür. In einer Ecke waren leere Kisten aufgestapelt.
    Das kleine Büro war einer der Erker, die hoch über der Stadt an der Außenhaut des Parlamentsgebäudes klebten. Fünfzehn Meter darunter rauschten die Wasser des Gross Tar.
    Der Bürobote räumte die Päckchen und Schachteln von seinem Karren auf den Schreibtisch des blassen, mittelalten Beamten.
    »Nicht besonders viel heute, Sir«, brummte er und massierte sich den protestierenden Rücken, bevor er schwerfällig, den holpernden Karren mitziehend, den Rückweg antrat.
    Der Beamte sichtete den Posteingang, hämmerte kurze Notizen in seine Schreibmaschine. Er machte Einträge in eine übergroße Kladde mit dem Etikett ›AKQUISITIONEN‹, blätterte zwischen den Sektionen hin und her und notierte vor jedem Artikel das Datum. Er öffnete die Päckchen und vermerkte den Inhalt sowohl in einer getippten Tagesliste als auch in der großen Registrande:
    Rapporte, Miliz: 17. Menschliche Knöchelbeine: 3. Heliotypen (belastend): 5.
    Er stellte fest, für welche Abteilung die jeweilige Sammlung von Gegenständen bestimmt war und sortierte sie zu Stapeln. War ein Stapel groß genug, packte er ihn in eine Kiste und begab sich damit zu der in die Wand eingelassenen Schiebetür. Diese war viereckig, maß ungefähr fünfzig Zentimeter im Quadrat und öffnete sich zischend, als der Beamte einen Hebel niederdrückte. Neben ihr gab es einen schmalen Schlitz, zur Aufnahme einer Lochkarte bestimmt.
    Ein vorn offener Drahtkorb pendelte in dem Hohlraum zwischen der Obsidianhaut und dem Leib des Parlaments, oben und an den Seiten gehalten von schwingenden, leise klingelnden Ketten, die aus tiefer Dunkelheit auftauchten und darin verschwanden, einer tintigen Schwärze, die sich, so weit der Beamte sehen konnte, nach allen Richtungen erstreckte. Der Beamte stellte die Kiste in den Korb, der unter dem Gewicht ein wenig tiefer sank.
    Er löste die Sperre einer Klappe, die scheppernd niedersauste, so dass die Kiste nunmehr auf allen Seiten von Drahtgeflecht umgeben war. Dann schloss er die Schiebetür, griff in die Tasche und zog ein Bündel dicker Lochkarten heraus. Jede trug einen deutlichen Aufdruck: MILIZ, GEHEIMDIENST, SCHATZAMT und so weiter. Er steckte die entsprechende Karte in den Schlitz neben der Tür.
    Daraufhin ertönte ein Surren. Winzige Zapfen reagierten auf den Druck. Angetrieben von dem hoch gepumpten Dampf der riesigen Kessel im Untergeschoss, rotierten kleine Zahnräder an der Karte entlang. Wo ihre auf Sprungfedern sitzenden Zacken in der dicken Pappe Aussparungen fanden, schnellten sie vor, und tiefer im

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