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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Inneren des Mechanismus wurde ein Relais ausgelöst. War die Abtastung beendet, übersetzte sich die Kombination An/Aus in binäre Befehle, die von Dampf und Elektrizität durch Rohre oder Kabel zu verborgenen Auswertungsmaschinen transportiert wurden.
    Der Käfig setzte sich schaukelnd in Bewegung und begann eine zügige Reise durch die geheimen Tunnel, auf, ab, seitwärts, diagonal, wurde an Weichen ruckelnd an andere Ketten weitergereicht, bis er nach fünf oder dreißig Sekunden, zwei Minuten oder mehr seinen Bestimmungsort erreichte, wo er beim Halt eine Glocke anstieß, um seine Ankunft zu melden. Eine Schiebetür wurde geöffnet und die Kiste aus dem Drahtkäfig genommen, derweil glitt weit entfernt ein neuer Korb auf den frei gewordenen Platz vor dem Büro des Registrars.
    Der Mann arbeitete schnell. Innerhalb von kaum fünfzehn Minuten hatte er fast den ganzen Tageseingang registriert und weitergeleitet. Dann sah er, wie eins der wenigen noch übrigen Päckchen merkwürdig wackelte. Er hörte auf zu schreiben und stieß es an.
    Aus den zahlreichen Briefmarken, die es schmückten, ließ sich ersehen, dass es kürzlich von irgendeinem Kauffahrer eingetroffen war, Name unleserlich. Oben war in säuberlichen Druckbuchstaben der Empfänger angegeben: Dr. M. Babile, Abt. Forschung & Entwicklung. Der Beamte hörte ein Rascheln. Er zögerte einen Moment, dann knotete er behutsam die Schnur auf, mit der die Schachtel zugebunden war, und hob den Deckel an.
    Drinnen, in einem Nest aus Papierstreifen, worin sie ziellos herumwühlten, befanden sich etliche fette, mehr als daumenlange Raupen.
    Der Beamte prallte zurück, die Augen hinter den Brillengläsern wurden groß. Die Raupen waren auffallend schön gefärbt: eine irisierende Melange aus dunklen Rot- und Grüntönen. Sie ambulierten auf dicken Stummelbeinen durch die Papierwolle; am Kopfende saßen kräftige, kurze Fühler über einer winzigen Mundöffnung. Der hintere Teil des Körpers war mit vielfarbigen Borstenhaaren bewachsen, die aussahen, als wären sie dünn mit Klebstoff überzogen.
    Der Registrar entdeckte, zu spät, einen von der Reise arg mitgenommenen Lieferschein an der Rückseite der Schachtel. Sendungen mit Lieferschein sollten laut Vorschrift diesem entsprechend registriert und ungeöffnet weitergeschickt werden.
    Scheiße, dachte er nervös. Er faltete die Hälften des ramponierten Scheins auseinander. Der Vermerk ließ sich noch entziffern.
    GF Raupen x 5. Das war alles.
    Der Registrar lehnte sich zurück und überlegte. Dabei schaute er zu, wie die haarigen kleinen Kreaturen in ihrem Papiernest durcheinanderkrochen.
    Raupen?, dachte er, und ein ängstlich-verschlagenes Lächeln zuckte um seinen Mund. Er schaute immer wieder in den Flur vor seinem Büro.
    Seltene Raupen … Irgendeine exotische Spezies, dachte er.
    Die halblauten Bemerkungen im Lokal fielen ihm ein, das viel sagende Zwinkern und Nicken. Er hatte mitbekommen, wie in seiner Stammkneipe ein Typ Geld für so etwas bot. Je seltener, desto besser, hatte er gesagt …
    Habgier und Angst verzerrten sein Gesicht. Seine Hand schwebte über der Schachtel, bewegte sich unschlüssig vor und zurück. Er stand auf und ging zur Tür. Lauschte. Kein Laut in dem sonnendurchfluteten Korridor.
    Der Registrar kehrte an den Schreibtisch zurück, fieberhaft bemühte er sich, Gewinn und Risiko gegeneinander abzuwägen. Er nahm sich den Lieferschein noch einmal vor. Oben trug dieser einen verwischten Stempelabdruck, aber der eigentliche Deklarationsvermerk war mit der Hand geschrieben. Während sein Blick immer wieder zur Tür huschte, kramte der Beamte in seiner Schublade und nahm ein Papiermesser sowie eine Schreibfeder heraus. Mit der scharfen Klinge schabte er sacht, ganz sacht an dem Kopfstrich und dem Ende des Bogens der 5 auf dem Lieferschein. Er blies den Papier- und Tintenstaub weg, glättete die aufgeraute Stelle vorsichtig mit dem oberen Ende der Feder, drehte sie herum und tunkte die Spitze in sein Tintenfass. Mit akribischer Sorgfalt verlängerte er den gestutzten Bogen der 5 und kreuzte ihn mit dem Querstrich.
    Endlich war es vollbracht. Er richtete sich auf und musterte kritisch sein Werk. Aus der 5 war eine 4 geworden.
    Das war der schwierige Teil, dachte er.
    Er tastete auf der Suche nach einem passenden Behälter an sich hinunter, kehrte die Taschen von innen nach außen, kratzte sich am Kopf und überlegte. Seine Miene erhellte sich, er griff nach dem Brillenetui, klappte es auf und

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