Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Perdido Street Station 02 - Der Weber

Perdido Street Station 02 - Der Weber

Titel: Perdido Street Station 02 - Der Weber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
Vom Netzwerk:
einer Minute stummer Zuckungen war der Anfall plötzlich vorüber. Er schlug die Augen auf und schaute aufmerksam um sich.
    »Blutlebengemeinde!«, rief er den versammelten Menschen zu. Sie erhoben sich hastig. »Hier sind eure Anweisungen und eure Sakramente.« Aus dem Bauch des Riesen, aus dem Schlitz der ursprünglichen Kupiermaschine flog Karte um Karte, alle akkurat gestanzt. Sie fielen in einen Holzkasten, der über dem geschlechtslosen Schoß des eisernen Giganten saß wie die Tasche eines Beuteltiers.
    Einer nach dem anderen näherten die menschlichen Anbeter sich schüchtern dem Riesenkonstrukt, bei jedem Schritt verneigten sie sich. Sie stiegen den kleinen Schrotthang zwischen den Stahlträgerbeinen hinauf, nahmen ein Blatt Papier und einen Packen Lochkarten aus dem Kasten und überprüften letztere anhand der Nummerierung auf Vollständigkeit. Dann entfernten sie sich rasch und verstreuten sich in den Schluchten zwischen den Müllhügeln, um in die Stadt zurückzukehren. Offenbar huldigte man in diesem Kult nicht dem Brauch segnender Abschiedsworte.
    Nach wenigen Minuten waren Yagharek und Isaac und Derkhan und Lemuel die einzigen organischen Lebensformen in der Arena, abgesehen von dem gespenstischen, ferngesteuerten Zombie. Die Konstrukte waren geblieben. Sie verhielten sich im Gegensatz zu den sichtlich nervösen Menschen völlig ruhig.
    Isaac bildete sich ein, auf dem höchsten Abfallberg eine menschliche Gestalt stehen zu sehen, tiefschwarz vor New Crobuzons zu Sepia verwässerter Halbdunkelheit. Sie beobachtete die Vorgänge in der Mulde. Isaac schaute genauer hin, und da war nichts. Sie waren allein.
    Er warf einen stirnrunzelnden Blick auf seine Gefährten, dann trat er auf die traurige Kreatur mit dem Kabel in der leeren Hirnschale zu.
    »Konzil«, begann er, »weshalb wolltest du, dass wir hierher kommen? Was willst du von uns? Du weißt von den Gierfaltern …«
    »Dar Grimnebulin«, fiel ihm der Avatar ins Wort, »ich bin mächtig und werde täglich mächtiger. Meine Datenverarbeitungskapazität ist einzigartig in der Geschichte von Bas-Lag, es sei denn, es existiert ein Rivale auf einem weit entlegenen Kontinent, von dem wir nicht wissen. Ich bin die vernetzte Summe von hundert oder mehr Differenzmaschinen. Eine jede überträgt Daten an die anderen und erhält Daten von jenen. Ich kann ein Problem unter tausend Prämissen berechnen.
    Jeden Tag lese ich mit den Augen meines Avatars die Bücher, die meine Jünger mir bringen. Ich verarbeite Geschichte und Religion, Thaumaturgie und Naturwissenschaft und Philosophie in meinen Datenbanken. Jedes Quäntchen Wissen, das ich assimiliere, bereichert meine Kalkulationsprozesse.
    Ich habe meine Sinne ausgebreitet. Meine Kabel werden länger und reichen weiter. Ich erhalte Informationen von fotografischen Apparaten rings um die Deponie. Meine Kabel führen zu ihnen wie vom Körper losgelöste Nervenstränge. Meine Jünger verlängern sie Stück um Stück bis in die Stadt hinein, um sie mit den Maschinen dort zu verbinden. Ich habe Anhänger in den inneren Bereichen des Parlaments, die die Daten ihrer Differenzmaschinen auf Karten speichern und diese zu mir bringen. Aber es ist nicht meine Stadt.«
    Isaac legte die Stirn in Falten. »Ich verstehe nicht …«
    »Meine Existenz ist eine interstitielle«, unterbrach ihn der Avatar erneut. Man hatte den Eindruck von Ungeduld, obwohl die Stimme des belebten Leichnams vollkommen ausdruckslos war, so tot wie sein Fleisch. »Ich ward geboren aus einem Defekt, an einem Ort des Verfalls, wohin die Bürger bringen, was ihnen nicht mehr nutzbar erscheint. Für jedes Konstrukt, welches hier Teil von mir ist, gibt es Tausende, die es nicht sind. Ich ernähre mich von Informationen. Meine Interventionen sind geheim. Ich wachse, indem ich lerne. Ich berechne, also bin ich.
    Hört die Stadt auf zu leben, werden die Variablen schwinden. Der Fluss der Informationen wird versiegen. Ich habe nicht den Wunsch, in einer leeren Stadt zu sein. Ich habe die Variablen des Gierfalterproblems in mein analytisches Netzwerk eingespeist. Das Ergebnis ist eindeutig. Lässt man den Dingen ihren Lauf, ist die Prognose für das Blutleben in New Crobuzon extrem negativ. Ich werde euch helfen.«
    Isaac schaute Derkhan an – Sei vorsichtig, formten ihre Lippen stumm –, dann Lemuel, er las den Ausdruck in Yaghareks Augen, die im Schatten der Kapuze funkelten. Er wandte sich wieder dem konvulsivisch zuckenden Avatar zu.
    »Wunderbar, wir

Weitere Kostenlose Bücher