Perdido Street Station 02 - Der Weber
Affendiener bereit. Dann werde ich dich – werde ich dich wiedersehen«, sagte er.
In den Straßen der nächtlichen Stadt kochte die Luft. Der Sommer erreichte seinen erstickenden Höhepunkt. In dem wabernden Smog über der Megalopole tanzten die Gierfalter.
Sie tummelten sich verspielt über den Türmen, Zinnen und Dachreitern der Perdido Street Station. Mit minimalen Bewegungen der Flügel schaukelten sie sich die Thermik hinauf. Fäden unbeständiger Emotionen spannen sich kreuz und quer von einem zum anderen.
Sie umwarben einander mit stummem Drängen und Liebkosungen. Wunden schon fast geheilt, waren vollends vergessen in bebender, fiebriger Erregung.
Der Sommer hier, in dieser einst grünen Ebene am Rand der Gentilsee, kam anderthalb Monate früher als für die Verwandten der Gierfalter jenseits des Ozeans, und er war heiß. Die Temperaturen waren kontinuierlich gestiegen, bis sie Werte erreichten wie seit zwanzig Jahren nicht mehr.
In den Lenden der Falter begannen thermotaxische Prozesse. Hormone kreisten in ihrer Körperflüssigkeit. Eigenartige Konfigurationen aus Gewebe und Chymikalien spornten Ovarien und Keimdrüsen zu unzeitiger Tätigkeit an. Die Falter wurden schlagartig fruchtbar und aggressiv paarungsbereit.
Aspis und Fledermäuse und Vögel flüchteten entsetzt aus diesem Quadranten des Himmels, vertrieben von den Schwaden psychotischer Gelüste.
Der Paarungstanz der Gierfalter war ein grausiges, laszives Luftballett. Sie streiften sich mit Tentakeln und Gliedmaßen, entfalteten neue Teile ihres Körpers, ihnen selbst noch unbekannt. Die drei am wenigsten verletzten Falter neckten ihren Bruder, das Opfer des Webers, mit fächelnden Flügelschlägen, bis er nicht länger seine zahlreichen Wunden leckte, sondern mit der bebenden Zunge seine Gefährten berührte. Die erotische Spannung, die von ihnen ausging, war unwiderstehlich.
Das polymorphe, vielfältige Werben wurde hitziger und zu einem Wettstreit. Streicheln, belecken, erregen. Ein Falter nach dem anderen schraubte sich dem Mond entgegen, trunken vor Lust, dabei sprengte er das Siegel an einer unter dem Schwanz verborgenen Drüse und stieß eine Wolke empathischen Moschus aus.
Seine Vettern schleckten nach dem Psycharoma, tummelten sich wie Delfine in Wogen aus Geilheit. Sie wälzten und räkelten sich, dann stiegen sie empor und versprühten ihren eigenen Moschusduft in den Himmel. Vorläufig waren ihre Keimdrüsen noch inaktiv. Die feinen Metatröpfchen transportierten die erogenen, ovarischen Säfte. Die Falter wetteiferten neidisch darum, das Weibchen sein zu dürfen.
Mit jeder Duftwolke steigerte sich die Erregung. Die Falter bleckten ihre Grabsteinzähne und blökten sich ihre sexuelle Herausforderung entgegen. Die feuchten Körperöffnungen unter dem Chitinpanzer tropften aphrodisierenden Seim. Sie suhlten sich in den Schwaden ihrer Pheromone.
Nach und nach erhob sich eine Stimme immer triumphierender über die anderen. Ein Falter schwang sich höher und höher hinauf, ließ seine Brüder hinter sich zurück. Seine Ausdünstungen verpesteten die Luft mit dem Gestank seiner Brünstigkeit. Es gab letzte Attacken, Ausbrüche erotischer Konkurrenz. Doch einer nach dem anderen schlossen die Falter ihre weibliche Pudenda, akzeptierten Niederlage und Männlichkeit.
Der siegreiche Falter – derjenige, der noch aus den beim Duell mit dem Weber davongetragenen Wunden blutete – kreiste über ihnen. Er dünstete Weiblichkeit aus, seine Fruchtbarkeit war unbestritten. Er hatte sich als der Mütterlichste von allen bewiesen.
Er hatte sich das Recht erworben, die nächste Generation hervorzubringen.
Die anderen drei Falter umschwärmten ihn. Sie wurden zu Freiern.
Die Ausdünstungen der neuen Matriarchin versetzten sie in Ekstase. Sie flogen Kreise und Schleifen und kehrten zurück, erregt, liebestoll.
Das Weibchen spielte mit ihnen, gaukelte vor ihnen über die dunkle, heiße Stadt. Als das Drängen der Freier ebenso quälend wurde wie seine eigene Lust, verharrte es in der Luft und bot sich ihnen dar, öffnete das Geschübe seines Exoskeletts und reckte ihnen die Vagina entgegen.
Es paarte sich mit einem nach dem anderen, jedes Mal ein halsbrecherisch erdwärts stürzendes Doppelwesen, flankiert von ungeduldigen Partnern, die darauf warteten, an die Reihe zu kommen. Die drei, die sich mit der Rolle des Männchens begnügen mussten, spürten das Ziehen und Schwellen organischer Mechanismen, ihre Leiber öffneten sich und
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