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Perdido Street Station 02 - Der Weber

Perdido Street Station 02 - Der Weber

Titel: Perdido Street Station 02 - Der Weber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Penisse schoben sich hervor, zum ersten Mal. Die männlichen Falter fummelten mit ihren Armen und Fleischzotten und Knochenzacken, und das Muttertier tat das Gleiche, reichte nach hinten mit einem komplexen Mehrfachbündel von Gliedmaßen, die fassten und zogen und bugsierten bis zu einem plötzlichen schlüpfrigen Ineinandergleiten. Jedes Paar fand zusammen und kopulierte mit fiebriger Heftigkeit und Wollust.
     
    Nach der Paarung ließen die Gierfalter sich erschöpft mit geöffneten Schwingen treiben. Sie tropften.
    In der Abendkühle löste ihr Bett aus Thermik sich auf und sie schlugen mit den Flügeln, um sich in der Luft zu halten. Einer nach dem anderen drehten die Väter ab und stießen zur Stadt hinunter, um Nahrung zu suchen, für sich und die Partnerin ihrer Hochzeitsfreuden.
    Diese kreiste noch eine Weile träge, bis schließlich ihre Fühler zuckten, sie die Schwingen regte und gemächlich den Weg nach Süden antrat. Sie war erschöpft. Ihre Geschlechtsorgane und -öffnungen hatten sich unter dem schillernden Panzer wieder in den Körper zurückgezogen und geschlossen, um die kostbaren Gaben zu bewahren.
    Die Gierfaltermatriarchin flog in Richtung Riverskin und des Glashauses, um dort das Nest zu bereiten.
     
    Meine Krallen spreizen sich, wollen sich öffnen. Sie werden gehindert von den lächerlichen und unansehnlichen Lumpen, mit denen sie umwickelt sind und die in Fetzen hängen wie tote Haut.
    Ich schlurfe gebückt neben den Gleisen her, die Züge kreischen mir im Vorbeirasen eine gereizte Warnung zu. Jetzt stehle ich mich über die Eisenbahnbrücke, sehe den Tar unten um die Pfeiler strudeln. Ich bleibe stehen und schaue mich um. Weit hinter mir und weit vor mir windet sich der Fluss und schwappt mit rhythmischen kleinen Brechern Treibgut an die Ufer.
    Wenn ich den Blick nach Westen richte, kann ich über das Wasser und das Geschachtel der Häuser von Riverskin hinweg die Kuppel des Glashauses sehen. Sie ist von innen erleuchtet, eine Blase aus Licht auf der Haut der Stadt.
    Ich verändere mich. Da ist etwas in mir, das vorher nicht da war, oder vielleicht fehlt etwas, das ich vorher hatte. Ich rieche die Luft, und es ist die gleiche Luft wie gestern, und doch ist sie anders. Es gibt keinen Zweifel. Es quillt unter meiner eigenen Haut empor. Ich weiß nicht mehr, wer ich bin.
    Ich bin hinter diesen Menschen hergelaufen, als wäre ich stumm. Eine wertlose, hohle Wesenheit, ohne Meinung oder Vernunft. Ohne zu wissen, wer ich bin, wie kann ich wissen, was ich sagen soll?
    Ich bin nicht mehr Respektierter Yagharek und es seit vielen Monaten nicht mehr gewesen. Ich bin nicht der Rasende, der in den Blutgruben von Shankell wütete, Menschen und Trolle erschlug, Ratjinn und Shardmouth, eine Menagerie kampflustiger Bestien und Krieger von Rassen, deren Existenz ich mir nicht hätte träumen lassen. Jener blindwütige Kämpfer ist Vergangenheit.
    Ich bin nicht der Erschöpfte auf seinem langen Weg über das grüne Grasland und die kalten, steinigen Hügel. Ich bin nicht der Verlorene, der die gepflasterten Pfade der Stadt entlangwanderte, in sich versunken und einsam, der versuchte, wieder etwas zu werden, was ich niemals war.
    Keiner von diesen bin ich. Ich wandle mich. Ich weiß nicht, wer ich sein werde.
     
    Ich fürchte mich vor dem Glashaus. Wie Shankell hat es viele Namen. Glashaus, Treibhaus, Gewächshaus, Tepidarium. Es ist nichts als ein Ghetto, geduldet mit Hintergedanken. Ein Ghetto, in welchem die Kaktusleute versuchen, den Rand der Wüste nachzubilden. Kehre ich heim?
    Die Frage birgt in sich die Antwort. Das Glashaus ist nicht die Steppe, nicht die Wüste. Es ist eine traurige Illusion, nichts als eine Fata Morgana. Es ist nicht meine Heimat.
    Und wäre es selbst die Wüste, wäre es das Tor in das Herz des Cymek, zu den dürren Wäldern und dem fruchtbaren Sumpfland, zu der Fundgrube sandverborgenen Lebens und der großen nomadischen Garudabibliothek, wäre das Glashaus mehr als ein Schatten, wäre es die Wüste, die zu sein es vorgibt, wäre es dennoch nicht meine Heimat.
    Diesen Ort gibt es nicht.
     
    Eine Nacht und einen Tag will ich meine Wege gehen. Ich will noch einmal die Straßen und Gassen im Schatten der Hochbahngleise durchwandern, auf denen ich kam. Ich will die monströse Geografie des Stadtmolochs erforschen und die Pfade finden, die mich herführten, die Klüfte im Backsteingemäuer, denen ich mein Leben und mein Selbst verdanke.
    Ich will die Vaganten suchen, die mein Essen

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