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Perdido Street Station 02 - Der Weber

Perdido Street Station 02 - Der Weber

Titel: Perdido Street Station 02 - Der Weber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Angst gelähmt sein sollen, aber er war es nicht. In und um die Hütte am Bahngleis deutete nichts auf böswillige Besucher hin.
    Vielleicht haben sie Angst vor mir, dachte er.
    Er ließ sich von den Wellen wiegen. Eine Stunde verging, und die Stimmen der Stadt wurden lauter.
     
    Ein blubberndes Geräusch ließ ihn aufmerken.
    Isaac stützte sich vorsichtig auf den Ellenbogen, sofort wieder hellwach und auf dem Quivive. Er spähte über den Bootsrand.
    Yagharek saß am alten Platz am Ufer, in unveränderter Haltung. Frühe Passanten waren unterwegs, die aber die vermummte, übel riechende Gestalt nicht weiter beachteten.
    Dicht neben dem Kahn brodelte ein Quell aus Blasen und aufgewühltem Wasser aus der Tiefe empor, blubberte an die Oberfläche und sandte einen Wellenkreis aus. Isaacs Augen weiteten sich, als er erkannte, dass der Kreis exakt rund war, wie mit dem Zirkel gezogen und scharf begrenzt. Jede Welle, sobald sie den Rand erreichte, glättete sich unerklärlich, und das Wasser dahinter blieb unbewegt.
    Im selben Moment, als Isaac sich beunruhigt ein wenig zurückbeugte, durchbrach eine glatte, schwarze Wölbung die Wasseroberfläche. Der Fluss wich zurück von dem aufsteigenden Etwas, staute sich innerhalb der Grenzen des kleinen Kreises.
    Isaac starrte in das Gesicht des Webers.
     
    Er prallte zurück, das Herz schlug ihm bis zum Hals.
    Der Weber schaute zu ihm hinauf. Sein Kopf war nach hinten geneigt, sodass nur er zu sehen war, während der monumentale Hinterleib untergetaucht blieb, der den Kopf gewöhnlich hoch überragte, wenn der Arachnide stand.
    Der Weber skandierte raunend tief in Isaacs Schädel.
    … DU FRÜCHTCHEN KNÄBLEIN FROSCHNACKEND WIE GEWÜNSCHT KLEINER VIERBEINIGHER WEBER DER DU SEIN KÖNNTEST …, sang er seinen fortlaufenden, lispelnden Monolog, … FLUSS UND DÄMMERUNG MIR DÄMMERT DIE ENTHÜLLUNG DES TAGES SIND HÜLLENLOSE AQUAMBULIERER … Die Worte verebbten rhythmisch, bis sie kaum noch zu verstehen waren, und Isaac ergriff die Gelegenheit, sein Anliegen vorzubringen.
    »Ich bin froh, dich zu sehen, Weber«, sagte er. »Ich habe an unsere Verabredung gedacht.« Er atmete tief. »Ich muss mit dir reden …«
    Der raunende, undulierende Singsang des Webers ging weiter, und Isaac bemühte sich, ihm zu folgen, dem kryptischen Redefluss einen Sinn zu geben. In gleicher Weise zu antworten.
    Es war wie der Dialog mit einem Schlafenden oder einem Geistesgestörten. Es war schwierig und ermüdend. Aber es war möglich.
     
    Yagharek hörte das halblaute Geplapper von Kindern auf dem Weg zur Schule. Sie gingen ein Stück hinter ihm vorbei, wo ein Pfad durch das Gras am Flussufer führte.
    Sein Blick flog zum gegenüberliegenden Ufer, wo die Parkbäume und breiten, weißen Straßen von Flag Hill sich einen flachen Hang hinaufzogen. Auch dort lief ein Grasstreifen am Flussufer entlang, aber es gab keinen Pfad und keine Schulkinder. Nichts, als die stillen Häuser hinter ihren weißen Mauern.
    Yagharek zog die Knie etwas dichter an den Leib und wickelte sich fester in seinen muffigen Umhang. Fünfzehn Meter entfernt vom Ufer lag Isaacs kleiner Kahn unnatürlich still. Vor einigen Minuten war sein Kopf zu einem kurzen Rundblick aufgetaucht, seither verharrte er über die Bordwand des Kahns gebeugt, auf der Yagharek abgewandten Seite. Es sah aus, als starrte Isaac angelegentlich auf eine bestimmte Stelle im Wasser, ein Stück Treibgut oder Ähnliches.
    Der Weber, dachte Yagharek und Erregung packte ihn.
    Er strengte die Ohren an, um vielleicht etwas zu hören, aber die leichte Brise, die über das Wasser strich, wehte die Geräusche weg von ihm. Er hörte nur das Plätschern der Wellen und die Stimmen der Kinder. Sie waren quengelig, stritten untereinander und brachen um Kleinigkeiten in Tränen aus.
    Zeit verging, aber die Sonne hing wie festgewachsen am Himmel. Der dünne Strom der Schulkinder riss nicht ab. Yagharek beobachtete, wie Isaac – auf welche Weise auch immer – mit der für den Garuda unsichtbaren arachnoiden Wesenheit im Wasser kommunizierte. Und wartete.
    Endlich, einige Zeit nach Sonnenaufgang, aber noch vor sieben Uhr, drehte Isaac sich in dem schwankenden Kahn herum, sammelte seine Kleidungsstücke ein und plumpste wie eine unförmige Wasserratte in den Canker.
    Flüssiges Silber spritzte und blitzte, als er zum Ufer zurückschwamm. Im Seichten vollführte er ein groteskes Wasserballett bei dem Bemühen, in seine Kleider zu kommen, bevor er sich tropfnass und

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