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Perdido Street Station 02 - Der Weber

Perdido Street Station 02 - Der Weber

Titel: Perdido Street Station 02 - Der Weber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Bilge schwappte im Kielraum.
    Aus dem Schatten der Persenning beobachtete Isaac auf dem Rücken liegend die am Himmel ziehenden Wolken. Er war nackt und verhielt sich ganz still.
    Er lag schon einige Zeit dort. Yagharek hatte ihn zum Fluss begleitet. Über eine Stunde waren sie durch die sich unruhig regende Stadt geschlichen, durch die vertrauten Straßen von Brock Marsch und weiter durch Gidd, unter Hochbahngleisen hindurch und vorbei an Miliztürmen bis zum Südrand von Canker Wedge. Weniger als zwei Meilen vom Zentrum der Stadt entfernt, aber eine andere Welt. Bürgerlich, ruhige Straßen, schlichte Häuser, verschämte Grünanlagen, schmucklose Kirchen und Gemeindehäuser, öffentliche Gebäude mit falschen Fassaden in einer Vielzahl verschiedener Baustile.
    Hier gab es Alleen. Sie waren nicht vergleichbar mit den breiten, von Banyan gesäumten Boulevards in Aspic Hole oder mit der Rue Conifer in Ketch Heath und ihrer Begrenzung aus uralten Kiefern. Dennoch, die Außenbezirke von Canker Wedge konnten mit Zwergeichen und Teerbäumen aufwarten, die die architektonischen Sünden überspielten. Isaac und Yagharek, letzterer mit wieder umwickelten Füßen und in einen jüngst gestohlenen Umhang gehüllt, waren dankbar für das schützende Zwielicht unter den Laubkronen.
    Am Lauf des Canker gab es keine großen Ansiedlungen von Schwerindustrie. Die Fabriken und Werkstätten und Docks konzentrierten sich auf die Ufer des langsameren Tar oder entlang der Vereinigung der beiden Flüsse, des Gross Tar. Erst auf der letzten Meile seiner individuellen Existenz, wo in Brock Marsh tausend Laboratorien ihre Abwässer in ihn einleiteten, wurde der Canker trübe und dubios.
    Im Norden der Stadt, in Gidd und Rim und hier in Canker Wedge, diente der Fluss als Erholungsgebiet: Man schwamm, ruderte, unternahm Bootsausflüge – alles weiter südlich undenkbar. Deshalb, weil es ruhig war, hatte Isaac sich diesen Flussabschnitt ausgesucht, um den Instruktionen des Webers nachzukommen.
    Er und Yagharek fanden einen schmalen Fußweg zwischen den Rückseiten zweier Häuserblocks, einen dünnen Spalt, eine Fuge, die sich zum plätschernden Wasser hinuntersenkte. Es war nicht schwer gewesen, ein aufgegebenes Boot zu finden, auch wenn sie hier bei weitem nicht in der Zahl vorhanden waren wie längs der industriell genutzten Flussabschnitte.
    Yagharek blieb zurück, ein stumm aus dem Schatten seiner Kapuze heraus beobachtender Fechtbruder, während Isaac weiterging. Zwischen ihm und dem Wasser lagen ein Grassaum und ein breiter Streifen Morast, und Isaac entledigte sich beim Gehen seiner Kleidungsstücke, stopfte sie unter den Arm. Als er endlich den Canker erreichte, war er nackt unter der sich lichtenden Dunkelheit.
    Entschlossen, ohne Zögern, watete er ins Wasser hinein.
    Er genoss das kühle Bad, das Gefühl, dass der schwarze Fluss ihn rein wusch von Kloakendreck und Tagen in Staub und Unflat. Er ließ die Kleider nachschleppen, damit das Wasser sie durchspülte und säuberte.
    Er hatte sich über den Rand ins Boot gezogen, seine Haut trocknete kribbelnd. Yagharek am Ufer war nur schattenhaft auszumachen, ein regungsloser Wächter. Isaac breitete seine Kleidungsstücke um sich herum aus und zog die Plane ein Stück weiter über sich, sodass er vor Blicken geschützt war.
    Er verfolgte, wie im Osten die Helligkeit sich am Himmel ausbreitete, und der böige frische Morgenwind bescherte ihm eine Gänsehaut nach der anderen.
    »Hier bin ich nun«, murmelte er. »Nackt wie ein Toter in der Morgendämmerung des Flusses. Genau nach Wunsch.«
    Er wusste nicht, ob des Webers selbstvergessene Verkündigung, die er in jener Schreckensnacht im Glashaus skandiert hatte, tatsächlich eine Art Einladung gewesen war, doch er dachte sich, wenn er sie einfach dafür nahm, machte er sie dazu, veränderte das Muster des Weltnetzes und wob eine Konstellation hinein, die vielleicht den Beifall des Webers fand.
    Er musste sich mit dem numinosen Arachniden besprechen. Er brauchte des Webers Hilfe. Um die Mitte der letzten Nacht war Isaac und seinen Gefährten bewusst geworden, dass die belastende Spannung, das beunruhigende, kranke Gefühl in der Luft, dass die Albträume zurückgekehrt waren. Der Angriff des Webers war zurückgeschlagen worden, wie er vorhergesagt hatte. Die Falter lebten noch.
    Isaac ging durch den Sinn, dass sie seine Witterung jetzt kannten, dass sie ihn als den Zerstörer ihres Geleges identifizieren konnten. Eigentlich hätte er vor

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