Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Perdido Street Station 02 - Der Weber

Perdido Street Station 02 - Der Weber

Titel: Perdido Street Station 02 - Der Weber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
Vom Netzwerk:
uns, was es seiner Ansicht nach mit dem Konstrukt Konzil auf sich hat, was er will und was er möglicherweise ist (und Pengefinchess gluckst kehlig vor Staunen, ihre vorstehenden Augen quellen noch weiter aus den Höhlen, als sie erfährt, was auf den Müllhalden der Stadt mit den Konstrukten geschieht).
    Und je mehr er redet, desto beredter wird er. Er spricht von Plänen. Seine Stimme wird hart. Etwas in ihm hat ein Ende genommen, ein Abwarten, eine weiche Geduldigkeit, die mithin starb und nun begraben ist, und ich fühle, wie ich Stein werde, während ich ihm lausche. Er inspiriert mich zu Disziplin und Entschlossenheit.
    Er spricht über Verrat und Gegenverrat, über Mathematik und Lügen und Thaumaturgie, über Tränen und geflügelte Wesen. Er erläutert Theorien. Er spricht zu mir vom Fliegen, etwas, wovon ich fast vergessen hatte, dass ich es jemals haben könnte, das ich mir wieder wünsche, als er es erwähnt, wünsche mit jeder Faser.
    Während die Sonne wie ein schwitzender Wanderer den Apex des Himmels erklimmt, sichten wir Übriggebliebenen, wir Bodensatz, unsere Waffen und unsere gesammelten Habseligkeiten, unsere Aufzeichnungen und unsere Geschichten.
    Mit Kraftreserven, von denen wir nichts ahnten, mit einem Staunen, das ich fühle wie durch einen Schleier, halten wir Kriegsrat. Ich wickle meine Peitsche um meine Hand zu einer festen Rolle und schärfe meine Klinge. Derkhan reinigt ihre Pistolen und flüstert mit Isaac. Pengefinchess lehnt sich kopfschüttelnd zurück. Sie wird gehen, warnt sie uns. Es gibt nichts, das sie bewegen könnte zu bleiben. Sie wird ein wenig schlafen und dann Abschied nehmen, sagt sie.
    Isaac zuckt die Schultern. Er kramt Teile einer Maschine unter einem Haufen Gerümpel hervor. Er zieht Bündel um Bündel beschriebener Blätter, schweißfleckig, verschmiert, kaum lesbar, aus dem Hemd.
    Wir fangen an zu arbeiten, Isaac eifriger als jeder von uns, er schreibt wie ein Besessener. Nach Stunden geknurrter Flüche und zischend kommentierter Erleuchtungen hebt er den Blick. So geht es nicht, sagt er. Wir brauchen einen Fokus.
    Und eine weitere Stunde vergeht oder auch zwei, und er schaut wieder von seinen Blättern auf.
    Wir müssen es tun, sagt er, und immer noch brauchen wir einen Fokus.
    Er sagt uns, was wir tun müssen.
     
    Erst herrscht Schweigen, dann besprechen wir uns. Hastig. Beklommen. Wir nennen Kandidaten und verwerfen sie. Unsere Kriterien sind wirr – wählen wir unter den Verlorenen oder den Verabscheuten? Den Verkrüppelten oder den Verderbten? Dürfen wir urteilen?
    Unsere Moral wird fragwürdig und fahrig.
    Aber der Tag ist zur Hälfte verstrichen und wir müssen wählen.
     
    Mit steinerner Miene, die dennoch die innere Not ahnen lässt, macht Derkhan sich bereit. Sie ist betraut mit der abscheulichen Pflicht.
    Sie nimmt mit, was wir an Geldmitteln haben, auch den letzten Rest meines Goldes. Sie säubert sich so gut es geht, vom Schmutz der Kanalisation, verändert ihre unbeabsichtigte Tarnung, gibt sich das Aussehen einer heruntergekommenen Stadtstreicherin und bricht dann auf, um zu suchen, was wir brauchen.
    Draußen beginnt es zu dunkeln, und immer noch sitzt Isaac über seinen Plänen. Winzige, eingerahmte Skizzen und Gleichungen füllen jedes Plätzchen, jedes Fleckchen Weiß auf seinen wenigen Blättern Papier.
    Die buttergelbe Sonne beleuchtet die Unterseite der Streifenwolken. Der Himmel dämmert abendwärts.
    Keiner von uns fürchtet die Träume dieser Nacht.

 
     
     
Teil 3
     
     
Krisis

 
KAPITEL 13
     
     
    Überall in der Stadt erloschen flackernd die Straßenlaternen und die Sonne stieg über den Canker. Sie zeichnete die Umrisse eines kleinen Kahns nach, kaum mehr als ein Floß, der sich auf der kühlen Dünung wiegte.
    Es war einer von vielen auf den Zwillingsflüssen New Crobuzons. Ausgemustert und sich selbst überlassen, dümpelten die Kaskos alter Boote in der Strömung und zerrten halbherzig an vergessenen Stegen. Es gab genug solcher Wracks im Herzen New Crobuzons, und die Treibgutsammler forderten sich gegenseitig heraus, zu ihnen hinauszuschwimmen oder auf den morschen Tauen entlangzubalancieren, mit denen sie pro forma festgemacht waren. Einige wurden gemieden, von denen die Rede ging, dass es dort spukte: Ertrunkene, die nicht wahrhaben wollten, dass sie tot waren, obwohl ihnen das Fleisch von den Knochen faulte.
    Dieses bestimmte Boot war halb mit einer uralten, steifen Plane abgedeckt, die nach Öl, Moder und Fett stank.

Weitere Kostenlose Bücher