Perdido Street Station 02 - Der Weber

Titel: Perdido Street Station 02 - Der Weber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville

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machen. Wir sind es unserer Stadt schuldig, alle unvernünftigen Forderungen zu unterbinden. Nüchtern betrachtet, Bürgermeister, ist dies unsere größte Krise seit den Piratenkriegen. Nach meiner Meinung ist es Zeit, den Notstand zu erklären. Wir brauchen größtmögliche Handlungsfreiheit.
    Wir müssen das Kriegsrecht ausrufen.«
    Rudgutter schürzte leicht die Lippen und überlegte.

    »Grimnebulin«, sagte der Avatar. Der Konzil selbst regte sich nicht. Er blieb liegen, eins mit den Hügeln aus Müll und Gerümpel um ihn herum.
    Das Kabel, das zum offenen Schädel des Avatars führte, schlängelte sich unter Eisenschrott und Bauschutt hervor. Der Avatar stank. Seine Haut hatte Schimmelflecken.
    »Grimnebulin«, wiederholte er mit seiner unangenehmen, zittrigen Stimme. »Du hast mich warten lassen. Die Krisismaschine, die du bei mir zurückgelassen hast, ist unvollständig. Wo sind die von mir, die dich ins Glashaus begleitet haben? Die Gierfalter sind letzte Nacht wieder geflogen. Hast du versagt?«
    Isaac hob die Hände, um dem Schwall von Fragen Einhalt zu gebieten.
    »Langsam«, sagte er gebieterisch. »Ich werde erzählen, was geschehen ist.«

    Isaac wusste, es war eine falsche Vorstellung, dem Konstrukt Konzil Gefühle zuzuschreiben. Es war nicht sein Bericht von jener schrecklichen Nacht im Glashaus, dem kleinen Sieg zu einem so hohen Preis, der den Körper des Untoten schüttelte und seine Züge sich zu absurden Grimassen verzerren ließ.
    Der Konzil besaß Intelligenz, aber keine Gefühle. Er assimilierte neue Daten, das war alles. Er kalkulierte Wahrscheinlichkeiten.
    Isaac teilte ihm mit, dass die Affenkonstrukte zerstört worden waren, und der Körper des Avatars zuckte besonders heftig, als diese Information durch das Kabel in die verborgenen Datenbanken des Konstrukt Konzils strömte. Ohne die Konstrukte konnte er die gemachten Erfahrungen nicht in seinen Speicher übernehmen. Er war auf Isaacs Worte angewiesen.
    Wie schon einmal glaubte Isaac flüchtig, eine menschliche Gestalt auf dem Kamm eines Müllbergs zu erkennen, aber sie war verschwunden, bevor er sicher sein konnte, wirklich etwas gesehen zu haben.
    Isaac berichtete dem Konzil vom Eingreifen des Webers und erläuterte anschließend seinen Plan. Der Konzil, wie nicht anders zu erwarten, begriff sofort.
    Der Avatar nickte. Isaac glaubte zu spüren, wie der Boden unter seinen Füßen kaum merklich vibrierte, als der Konzil selbst sich zu regen begann.

    »Verstehst du, was ich von dir brauche?«, fragte Isaac.
    »Selbstverständlich«, erwiderte der Konzil mit der zittrigen Stimme des Avatars. »Und ich werde mit der Krisismaschine verbunden sein?«
    »Allerdings«, bestätigte Isaac, »genauso ist es gedacht. Ich hatte einige Teile der Maschine einzupacken vergessen, als ich sie herbrachte, deshalb war sie nicht komplett, aber das hat sich im Nachhinein als günstig erwiesen, denn als ich sie heute sah, kam mir die Idee zu diesem Plan. Jetzt zu den Punkten, für die ich deine Hilfe brauche. Wenn unser Vorhaben klappen soll, müssen die mathematischen Berechnungen perfekt sein. Ich habe meine Rechenmaschine aus dem Labor mitgebracht, aber sie ist alles andere als ein Spitzenmodell. Hingegen bist du, Konzil, ein Netzwerk aus verdammt raffinierten elyktromechanischen Hirnen, stimmt’s? Du musst für mich ein paar Berechnungen vornehmen. Ein paar Funktionen ausarbeiten, Lochkarten stanzen. Noch einmal: Sie müssen perfekt sein. Bis auf die bewusste x-te Stelle hinter dem Komma. Ist das möglich?«
    »Zeig her«, sagte der Avatar.
    Isaac zog zwei Blätter aus dem Hemd. Er trat auf den Avatar zu und hielt sie ihm hin. In dem über der Deponie brütenden Brodem aus Öldunst, chymischen Dämpfen und von der Sonne aufgeheiztem Metall, traf ihn der Gestank organischer Fäulnis, der den Avatar umgab, wie eine geballte Faust. Isaac rümpfte die Nase, doch er beherrschte sich, blieb neben dem von Verwesung angefressenen Kadaver stehen und erläuterte, worauf es ihm ankam.
    »Auf dem Blatt hier sind ein paar Gleichungen, bei denen ich zu keiner Lösung komme. Kannst du sie lesen? Sie haben zu tun mit der mathematischen Modulierung mentaler Aktivitäten. Dies zweite Blatt ist vertrackter. Hier der Satz Lochkarten, den ich brauche. Ich habe mich bemüht, jede Funktion so exakt darzulegen wie möglich. Hier zum Beispiel …«
    Isaacs dicker Finger wanderte über eine Zeile komplizierter logischer Symbole. »Das hier bedeutet ›lies Daten von