Perdido Street Station 02 - Der Weber
schwerfällig durch Morast und Gestrüpp die Böschung hinaufarbeitete.
Vor Yagharek brach er schnaufend zusammen.
Die Schulkinder steckten kichernd die Köpfe zusammen.
»Ich glaube – ich glaube, er wird kommen«, sagte er. »Ich glaube, er hat verstanden.«
Nach acht Uhr trafen sie wieder in ihrem Schlupfwinkel ein. Drinnen war es heiß und stickig, Staubschleier schwebten in der Luft. Die Farben des Gerümpels und des sonnenwarmen Holzes leuchteten satt in dem Licht, das durch Spalten und Risse der Bretterwände drang.
Derkhan war noch nicht zurückgekehrt. Pengefinchess lag in einer Ecke und schlief, oder tat wenigstens so.
Isaac packte die wichtigen Röhren und Spulen, die Federmotoren und Batterien und Transformatoren in einen schmutzigen Sack. Er sammelte seine Notizen ein, blätterte sie durch, ob nichts fehlte, und verstaute sie wieder in seinem Hemd. Er schrieb eine Nachricht für Derkhan und Pengefinchess. Er und Yagharek überprüften und reinigten ihre Waffen, sichteten ihren mageren Vorrat an Munition. Dann schaute Isaac aus dem zerbrochenen Fenster auf die erwachende Stadt hinaus.
Vorsicht war angezeigt. Die Sonne schien hell, die letzten Reste Morgengrau waren vertrieben. Jeder auf der Straße konnte ein Milizzer sein, und jeder Milizzer kannte ihre Heliotypie. Sie hüllten sich in ihre Umhänge. Isaac zögerte, dann verpasste er sich mit dem von Yagharek geborgten Stilett eine blutige Rasur. Die scharfe Klinge hakelte schmerzhaft an den Knötchen und Höckern auf seiner Haut, deretwegen er sich seinerzeit überhaupt einen Bart hatte wachsen lassen. Er war schnell und schonungslos gegen sich selbst und stand bald vor Yagharek mit einem blassen Kinn, schlecht gestutzten Koteletten, blutend und übersät mit Stoppelbüscheln. Er sah grauslich aus, aber anders. Unterwegs betupfte er sich immer wieder die blutenden Schnitte in seinem Gesicht.
Gegen neun Uhr, nach betont unauffälligem Schlendern vorbei an Geschäftsauslagen und schwatzenden Passanten, wann immer möglich in Seitengassen ausweichend, erreichten die Gefährten die Griss Twist Deponie.
Die Hitze war erdrückend und schlimmer noch in den Schluchten zwischen Unrat und Altmetall. Isaacs frisch rasiertes Kinn stach und brannte.
Sie suchten sich ihren Weg durch das Müllmassiv zum Herzen des Labyrinths, zur Residenz des Konstrukt Konzils.
»Nichts.« Bentham Rudgutter ballte die Fäuste auf der Schreibtischplatte. »Zwei Nächte haben wir die Luftschiffe oben gehabt und Patrouille fahren lassen. Und nichts. Jeden Morgen eine neue Ausbeute an Opfern, und keiner hat irgendetwas gesehen. Rescue tot, Grimnebulin untergetaucht und auch keine Spur von Blueday.« Er hob blutunterlaufene Augen und schaute über den Tisch hinweg auf Stem-Fulcher, die sachte an ihrer aromatisch duftenden Pfeife zog. »Wir bekommen die Sache nicht in den Griff«, schloss er.
Stem-Fulcher nickte bedächtig. Sie überlegte.
»Zwei Punkte«, sagte sie schließlich. »Wir brauchen unbedingt speziell ausgebildete Truppen. Ich habe Ihnen von Vielgestalts Leuten erzählt.«
Rudgutter nickte. Er rieb sich immer wieder die Augen.
»Da können wir ohne Schwierigkeiten mithalten«, fuhr Stem-Fulcher fort. »Wir müssen nur die Vollzugsfabriken beauftragen, uns eine Schwadron maßgeschneiderte Remade vom Band laufen zu lassen, komplett mit Spiegeln, rückwärts gerichteten Waffen et cetera, aber was uns fehlt ist Zeit. Zeit, um sie für ihre spezielle Aufgabe zu drillen. Das kann leicht drei, vier Monate dauern. Und während wir herummurksen, delektieren die Gierfalter sich weiterhin an den Bürgern unserer Stadt. Und werden stärker.
Ergo müssen wir über Strategien nachdenken, die Stadt unter Kontrolle zu halten. Nächtliches Ausgangsverbot, zum Beispiel. Wir wissen, dass die Falter in Häuser eindringen können. Aber die Statistik sagt, dass die meisten Opfer sich im Freien aufgehalten haben.
Dann müssen wir Spekulationen der Presse, was die derzeitige Krisensituation angeht, einen Riegel vorschieben. Barbile war nicht die einzige Wissenschaftlerin bei diesem Projekt. Wir müssen in der Lage sein, schon den Ansatz zu gefährlicher Sedition zu ersticken. Eine Maßnahme wäre, allen an dem Projekt beteiligten Wissenschaftlern einen Maulkorb anzulegen.
Während die Hälfte der Miliztruppen zur Bekämpfung der Gierfalter abkommandiert ist, dürfen wir keinen weiteren Dockerstreik oder Ähnliches riskieren, das könnte uns sehr schnell handlungsunfähig
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