Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition)
Wie konnte ein Buchbinderlehrling auch nur davon träumen, hier eine Chance zu haben? Selbst wenn sein Wille und seine Tatkraft stark genug wären, es zu versuchen, so hatte er weder die nötigen Lehrer noch sonst eine Form der Anleitung, seine Studien würden ohne Struktur und Methode bleiben. Doch da tauchte 1809 ein Buch in Ribeaus Laden auf, das ihm neue Hoffnung gab. Es hieß Improvement of the Mind und war ein Selbsthilfebuch, das der Pastor Isaac Watts 1741 veröffentlicht hatte. Darin wurde erklärt, wie man, unabhängig von seiner sozialen Herkunft, systematisch lernen und so die eigenen Lebensumstände verbessern konnte. Es wurden Strategien beschrieben, die jeder befolgen konnte und die erfolgversprechend schienen. Faraday trug dieses Buch immer bei sich und las es wieder und wieder.
Die Ratschläge, die er darin fand, befolgte er Wort für Wort. Watts begriff das Lernen als einen aktiven Prozess und empfahl, nicht nur von wissenschaftlichen Entdeckungen zu lesen, sondern die entsprechenden Experimente auch selbst durchzuführen. Und so unternahm Faraday, mit dem Segen Ribeaus, im Hinterzimmer des Buchladens eine Reihe grundlegender elektrischer und chemischer Experimente. Watts betonte auch, wie wichtig es sei, von Lehrern und nicht nur aus Büchern zu lernen. Also begann Faraday pflichtbewusst die zahlreichen wissenschaftlichen Vorlesungen zu besuchen, die damals in London sehr beliebt waren. Außerdem empfahl Watts, man solle sich Vorlesungen nicht nur anhören, sondern sehr genau mitschreiben, die Aufzeichnungen danach durcharbeiten und so das Gelernte festigen. Faraday ging sogar noch einen Schritt weiter.
Jede Woche besuchte er die Vorlesungen des populären Wissenschaftlers John Tatum, der immer ein anderes Thema behandelte. Faraday notierte sich danach die wichtigsten Begriffe und Konzepte, zeichnete schnell die verschiedenen Instrumente, die Tatum benutzt hatte, und skizzierte dann schematisch das Experiment selbst. Im Verlauf der darauffolgenden Tage formulierte er seine Notizen zunächst in ganzen Sätzen aus und machte dann einen kompletten Aufsatz über das Thema daraus, alles sorgfältig gezeichnet und formuliert. Innerhalb eines Jahres kam so eine dicke wissenschaftliche Enzyklopädie zusammen, die er selbst geschrieben hatte. Seine wissenschaftlichen Kenntnisse hatten sich sprunghaft vermehrt und dabei eine gewisse Ordnung erlangt, die in seinen Aufzeichnungen niedergelegt war.
Eines Tages zeigte Monsieur Ribeau diese ziemlich beeindruckende Sammlung von Aufsätzen William Dance, einem Kunden, der Mitglied der renommierten Royal Institution war – einer Organisation, die sich der Förderung neuester wissenschaftlicher Forschungen widmete. Als Dance Faradays Notizen durchblätterte, zeigte er sich sehr erstaunt darüber, wie klar und präzise dieser die äußerst komplizierten Themen zusammengefasst hatte. Er beschloss, den jungen Mann an die Royal Institution zu einer Vorlesungsreihe des berühmten, erst vor Kurzem zum Ritter geschlagenen Chemikers Humphry Davy einzuladen. Davy leitete das dortige Chemielabor.
Da die Vorlesungen schon frühzeitig ausverkauft waren, war es für jemanden mit Faradays sozialer Herkunft ein besonders großes Privileg, daran teilnehmen zu können. Aber die Chance, die er hier bekam, sollte auch auf andere Weise noch schicksalsträchtig für ihn werden. Davy war der bedeutendste Chemiker seiner Zeit. Er hatte zahlreiche wichtige Entdeckungen gemacht und große Fortschritte auf dem noch neuen Gebiet der Elektrochemie erzielt. Seine Versuche mit verschiedenen Gasen und Chemikalien waren hochgefährlich und hatten schon zu vielen Unfällen geführt. Seinem Ruf als einem mutigen Kämpfer für die Wissenschaft war das sehr zuträglich, und seine Vorlesungen galten als echte Ereignisse. Er hatte einen Hang zur Dramatik und zeigte seinem faszinierten Publikum gern raffinierte Experimente. Davy kam selbst aus bescheidenen Verhältnissen und hatte sich, weil er die Aufmerksamkeit wertvoller Mentoren gewinnen konnte, in die Sphären der Wissenschaft hochgearbeitet. Für Faraday war Davy das ideale Vorbild, denn er verfügte ebenfalls über keine solide und geregelte Schulbildung.
Faraday erschien jedes Mal sehr frühzeitig und suchte sich einen Platz so weit vorne wie nur möglich. Jeden Satz von Davy sog er geradezu in sich auf und machte detailliertere Notizen als je zuvor. Davys Vorlesungen hatten eine ganz andere Wirkung auf Faraday als all die anderen, die er
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