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Perfekt

Titel: Perfekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaught
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drückte er sie fest an sich, küßte ihre Stirn und ihre Wangen, vergrub sein Gesicht in ihrem duftenden Haar und kostete ihr Geständnis voll und ganz aus. Mit fünfunddreißig erfuhr er nun endlich, wie es war, nur um seiner selbst willen geliebt zu werden ... geliebt zu werden, wenn man weder Reichtümer noch Ruhm, ja nicht einmal Anständigkeit zu bieten hatte ... geliebt zu werden ohne Wenn und Aber, von einer ungewöhnlich tapferen und loyalen Frau. Jetzt wußte er es, aber genauso sicher wußte er, daß sie, wenn er ihr jetzt sagte, was er für sie empfand, genau dieser Eigenschaften wegen noch Jahre nach seinem Untertauchen auf ihn warten würde. Und deshalb mußte er seine Gefühle vor ihr geheimhalten. Doch konnte er ihre Worte nicht so einfach hinnehmen, ohne etwas dazu zu sagen; deshalb küßte er ihr Haar und flüsterte: »Das verdiene ich nicht, mein Schatz.«
    »Ich weiß, daß du das nicht tust«, lächelte Julie unter Tränen, entschlossen, zu vergessen, daß er nicht gesagt hatte, daß auch er sie liebe. Sie hatte die Ergriffenheit in seiner Stimme gehört und die echte Verzweiflung, als er geglaubt hatte, sie würde ihn verlassen. Sie hatte gespürt, wie seine Arme sie fester an sich zogen und wie sein Herz schneller klopfte, als sie ihm ihre Liebe gestand. Das reichte ihr. Es mußte reichen. Sie schloß die Augen, als seine Hand unter ihr Nackenhaar glitt und seine langen Finger sie zärtlich streichelten; doch als er sprach, klang seine Stimme unglaublich müde und erschöpft. »Würdest du für ein paar Stunden mit mir ins Bett kommen und unser Gespräch über den Mord so lange aufschieben, bis ich etwas geschlafen habe? Ich war die ganze Nacht wach.«
    Julie nickte und ging mit ihm in das Zimmer, das sie geglaubt hatte, nie mehr wiederzusehen.
    Als er einschlief, hielt er sie dicht an sich gedrückt, und sein Kopf ruhte an ihrer Brust.
    Julie, die selbst nicht schlafen konnte, betrachtete sein Gesicht, und ihre Finger spielten mit dem weichen Haar an seinen Schläfen. Der Schlaf nahm seinen Zügen nichts von ihrer Härte, wahrscheinlich deshalb, weil er nicht einmal dann echten Frieden fand. Seine Brauen waren dicht und dunkel, und dasselbe galt auch für seine Wimpern, die so dunkel waren, daß sie fast schwarz wirkten. Sie rückte ein wenig zur Seite, damit er bequemer läge, doch automatisch zogen seine Arme sie näher - ganz zweifellos, um sie daran zu hindern, ihn zu verlassen. Diese unbewußte, besitzergreifende Geste entlockte ihr ein leises Lächeln, denn sie war völlig überflüssig. Sie hatte nicht im geringsten die Absicht, sich fortzuschleichen.
    Vor Jahren hatte sie bei Shakespeare gelesen, daß das Leben eine Bühne sei, auf der jeder Mensch seine Rolle spielen müsse. Seit sie das College verlassen hatte, war das Gefühl nicht von ihr gewichen, neben der Bühne zu stehen, auf der ihr Leben eigentlich stattfinden sollte, und sie hatte immer darauf gewartet, daß jemand ihr ein Stichwort geben würde, daß es Zeit sei, auf die Bühne zu treten und dort zu tun, was immer sie tun mußte. Julie holte zitternd Luft und lächelte unsicher, weil ihr Stichwort nun endlich gefallen war. Jetzt wußte sie, worauf sie all die Jahre gewartet hatte, wozu und für wen sie geschaffen war. Trotz all ihrer eifrigen Bemühungen, aus sich ein Musterbeispiel an Ehrsamkeit zu machen, war sie, was die Liebe betraf, aus der Rolle gefallen und hatte sich in einen Mann verliebt, den man bestenfalls noch als schwarzes Schaf bezeichnen konnte; in einen wagemutigen, zynischen, abgebrühten, aus der Gesellschaft ausgestoßenen Mann, der sie in mancher Hinsicht an die Jungen erinnerte, denen sie auf den Straßen Chicagos begegnet war. Sie liebte ihn mit einem Beschützerinstinkt, der ihr das Gefühl gab, stark und klug und mütterlich zu sein; sie liebte ihn mit einer Verzweiflung, die ihr das Gefühl gab, hilflos, zerbrechlich und ihm völlig ausgeliefert zu sein.
    Vor ihnen lag eine ungewisse Zukunft voller Gefahren, und dennoch fühlte Julie sich vollkommen ausgeglichen und in Harmonie mit dem ganzen Universum.
    Sie legte ihre Hand an seine Wange, drückte ihn schützend an ihr Herz und berührte mit den Lippen sein dunkles Haar. »Ich liebe dich«, flüsterte sie.

40
    Einen Bleistift in der Hand und einen kleinen Stapel Karteikarten neben sich, saß Julie im Schneidersitz auf dem Fußboden vor dem Couchtisch und inspizierte die Liste, die Zack ihr gegeben hatte und auf der er die Namen all jener notiert

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