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Perfekte Manner gibt es nicht

Perfekte Manner gibt es nicht

Titel: Perfekte Manner gibt es nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cabot Meg
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hinab.
    Trotz der Cowboystiefel mit den zentimeterdicken Absätzen war Tim Lord nur einsachtundsechzig groß. Und das störte ihn noch empfindlicher als die Frechheit des Filmkritikers der New York Times , der Hindenburg eine »vor Kitsch triefende Selbstbefriedigung eines eingebildeten Regisseurs« genannt hatte.
    »Gerade habe ich eine Nachricht aus Anchorage erhalten«, wisperte Paul. »Der Helikopter mit Jack ist unterwegs.«
    »Großartig.« Tim holte tief Luft, richtete sich möglichst hoch auf und klopfte wieder an die Wohnwagentür.
»Melanie? Hier ist Tim, Schätzchen. Hör mal, lass mich rein, wir müssen reden.«
    »Und …«, fügte Paul hinzu, immer noch im Flüsterton – anscheinend, damit Melanies Assistentin nichts mitbekam. »Und im Radio wurde eine neue Kaltfront angekündigt. Die könnte ziemlich schlimm werden. Weitere fünf Minusgrade.«
    »Fabelhaft.« Tim spürte, wie ihn langsam die Zuversicht verließ. Aber das war seiner Stimme nicht anzumerken. Immerhin gehörte es zu den Pflichten eines Regisseurs, stets Ruhe auszustrahlen und alles unter Kontrolle zu halten. Bloß keine Besorgnis zeigen … »Einfach fabelhaft.« Wieder zur Tür gewandt, rief er: »Mel, Schätzchen, Jack ist bald da, und wir müssen zu drehen anfangen … die Szene im Bergwerk. Ein Schneesturm zieht auf, und ich …«
    Da flog die Tür des Wohnwagens auf, so plötzlich, dass sogar die Assistentin zusammenzuckte. Immer noch im Filmkostüm, mit grässlich verschmierter Wimperntusche, starrte Melanie auf Tim hinab. Sogar Miss Dupre, eine zierliche Gestalt, war größer als der Oscar-Preisträger Tim Lord. »Weißt du eigentlich«, jammerte sie mit tränenerstickter Stimme, »was dieser Trottel letzte Nacht zu mir gesagt hat? Weißt du das ?«
    Obwohl er es nicht für möglich gehalten hatte, wurde er noch mutloser. Noch zwei Tage. Mehr Zeit blieb ihm nicht. In zwei Tagen musste er die Dreharbeiten beenden, nach L.A. zurückkehren und anfangen, den Film zusammenzuschneiden.
    Da brauchte er das hier wirklich nicht. Er brauchte keine romantischen Verwicklungen zwischen seinen Hauptdarstellern, keine protestierenden Umweltfanatiker,
keine tollwütigen Tierschützer. Nichts von diesem ganzen Wahnsinn!
    Niemand hatte Jack Townsends Independent-Film Hamlet kitschig oder ein Produkt der Selbstbefriedigung genannt. So viel hatte er registriert.
    Klar, der Film hatte nur einen Bruchteil dessen eingespielt, was Hindenburg an den Kinokassen erzielte. Aber dieser Hamlet hatte fantastische Kritiken bekommen, sogar in der New York Times .
    Irgendwie fürchtete Tim, Copkiller IV würde keine so glänzenden Kritiken erhalten.
    »Bitte, Mel«, begann er in einem Ton, den er für besänftigend hielt. »Du kennst doch Jack. Vor wichtigen Dreharbeiten ist er immer nervös …«
    »Mit dem Film hat das nichts zu tun!«, kreischte sie.
    Das dichte Schneetreiben verschluckte ihre Stimme. Tim bezweifelte, dass die Crew, die vor der stillgelegten Zeche saß, irgendwas hörte. Gott sei Dank.
    »Was ist denn bloß los mit euch?«, beschwerte sich Melanie. »Dauernd bildet ihr euch ein, alles würde sich nur um euren blöden Film drehen! Aber mit Copkiller hat das ganz sicher nichts zu tun, Tim. Sondern mit der unumstößlichen Tatsache, dass Jack Townsend ein egoistisches, manipulatives Ekel ist und …«
    Drüben beim Minenschacht heulte eine Sirene. Das Team für die Spezialeffekte hatte die Sprengkapseln zurechtgelegt und bereitete den Test für eine Explosion vor. Um fliegenden Kieselsteinen und Holzsplittern auszuweichen, mussten sie alle um zwanzig Schritte zurückweichen.
    »… und ich lasse mich nicht mehr ausnutzen«, fuhr
Melanie fort, die auch während des Sirenengeheuls weitergeredet hatte. »Das war’s, Tim. Mit diesem Kerl arbeite ich nicht mehr zusammen. Keine Sekunde länger. Verstanden?«
    Wie ein fernes Donnergrollen verkündete, hatte die Explosion reibungslos stattgefunden. Nun würde die Crew alles für die Aufnahmen vorbereiten. Und die Hauptdarsteller mussten möglichst bald am Set erscheinen.
    »Hör mal, Mel«, versuchte Tim, seinen Star zu beruhigen. »Ich weiß, du machst einiges durch. Das verstehe ich. Wir alle sind gestresst. So geht es an den letzten Drehtagen immer zu. Aber du solltest bedenken, dass Jack noch schlimmer dran ist als wir. Ich meine, Greta …«
    Natürlich hätte er La Woolston nicht erwähnen dürfen. Das erkannte er sofort. Die Rolle der Mimi in Hindenburg war in den letzten zwei Jahren die

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