Perfekte Manner gibt es nicht
oder?
»Okay.« Mit einiger Mühe bezwang er seine Bedenken, die dem Helikopter, dem stotternden Piloten und vor allem seiner reizvollen, schlecht gelaunten Mitreisenden galten. »Starten wir.«
Entschlossen überhörte er Lous gemurmeltes »Halleluja«.
Wie er bald herausfand, hatte der Flug im R-44 einen nicht unerheblichen Vorteil, den die Cessna nicht bieten konnte. In diesem Hubschrauber war eine gepflegte
Konversation mit Lou unmöglich. Erstens saß sie allein auf der Rückbank, denn Sam, der Pilot, hatte darauf bestanden, dass Jack vorn Platz nahm, um »alles ein wenig auszubalancieren«. Und zweitens hörte man im Rotorenlärm nicht, was irgendwer sagte – nur über die Mikrofone und die Kopfhörer, die beide Passagiere auf Sams Wunsch hin trugen.
Jack, der völlig übermüdet war, seufzte erleichtert, weil niemand anregenden Small Talk von ihm erwartete. Während der Helikopter in die Luft stieg und sich vom Flughafen entfernte, starrte er durch die Windschutzscheibe und beobachtete die Vororte von Anchorage, die unter ihm dahinglitten und schließlich in eine weiße, gelegentlich von grünen Kiefern durchzogene Fläche übergingen.
Alaska. Bei der ersten Lektüre des Drehbuchs hatte er belustigt registriert, dass die meisten Filmszenen in einer fiktiven Bergarbeiterstadt am Fuß des Mount McKinley spielten. Für einen einfachen Bullen von der New Yorker Mordkommission kam Pete Logan ganz schön herum. Die Dreharbeiten für die letzten drei Filme hatten ihn nach Tibet, Usbekistan, Bolivien und Belize geführt. Und jetzt Alaska, um die Weltreise abzurunden …
Interessanterweise wurde Pete stets an besonders gefährliche Orte geschickt, was vermutlich mit dem Bestreben der Drehbuchautorin zusammenhing, dem Mann, der ihn spielte, das Leben möglichst schwer zu machen. Dass er das Ambiente der diversen Sets in vollen Zügen genoss, teilte er Lou natürlich nicht mit. Weder die Wüstenhitze noch die arktische Kälte einzelner Schauplätze störten ihn – ganz im Gegenteil.
Nur eins irritierte ihn ein bisschen. An all diesen exotischen Drehorten wurde Detective Logan gezwungen, die Hose runterzulassen. Wenn er in Nepal Diamantenschmuggler verfolgen musste, war das noch okay. Aber wenn ihn diese Schmuggler in einem Tempel fesselten, seiner Kleider beraubten und mit Bambusstöcken auf seinen nackten Arsch eindroschen – das war etwas anderes.
Mit solchen Dingen hatte er seine Probleme. Im Gegensatz zum amerikanischen Publikum, das Copkiller II geliebt und den Kinokassen über dreihundert Millionen Dollar eingebracht hatte …
Zum Glück musste er in der Copkiller -Folge, die gerade gedreht wurde, nur in einer kleinen Szene unbekleidet erscheinen. Da saß er in einer Badewanne, kurz bevor die kesse stellvertretende Staatsanwältin Rebecca Wels an einem Stromschlag starb. Während Lou diese Szene geschrieben hatte, musste sie ein bisschen neben sich gestanden haben. Diesmal war der lange Aufenthalt im neunundvierzigsten Staat offenbar seine einzige Strafe.
Und das konnte man wohl kaum als Strafe bezeichnen. Alaska war sehr schön. Zumindest nach allem, was er bisher gesehen hatte. Richtig gut konnte er es nicht beurteilen, denn bisher kannte er nur das Four Seasons in Anchorage und ein Gebirgsdorf etwa zweihundert Meilen nördlich von Myra. Dazwischen gab es anscheinend nur Wälder und schneebedeckte Berge, und das war sicher nicht alles, was der grandiose Staat Alaska zu bieten hatte.
Und doch war es ihm tausendmal lieber gewesen, die Neuigkeit von Gretas Flucht in Alaska zu erfahren
als in L.A. Außerhalb der Reichweite von Access Hollywood und Entertainment Tonight hatte er sich beinahe … nun ja, heimisch gefühlt. Und nach den Dreharbeiten wollte er sich ein paar Wochen freinehmen und eisfischen. Einer der Jungs vom Team hatte ihm seine Hütte angeboten …
»Mr. Townsend?«
In den Kopfhörern knisterte die Stimme des Piloten, und da merkte Jack, dass er eingeschlafen war. Kein Wunder. Melanies Temperamentsausbruch letzte Nacht und die unangenehmen Konsequenzen (in Gestalt des Hotelsicherheitsdienstes, der Feuerwehr und der Polizisten, die alle in sein Zimmer gestürmt waren) hatten ihn bis vier Uhr morgens wach gehalten. Irgendwann musste er sich diese lästigen Affären mit Schauspielerinnen wirklich abgewöhnen. Seine Mutter hatte recht – diese Frauen machten aus jeder Kleinigkeit ein Riesendrama. Und dieses theatralische Getue war ihm jetzt einfach zu viel.
Andererseits, wann hatte er
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