Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Performer, Styler, Egoisten

Performer, Styler, Egoisten

Titel: Performer, Styler, Egoisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Heinzelmaier
Vom Netzwerk:
Insbesondere Jugendliche und Erwachsene unterscheiden sich, was das Nutzungsverhalten betrifft. Nutzen Erwachsene das Internet bevorzugt kommunikations- und informationsorientiert, so wird es von den Jugendlichen vor allem unterhaltungsorientiert genutzt (vgl. Großegger 2010). Das bedeutet, dass Jugendliche zusätzlich insbesondere das Audio- und Videoangebot bestimmter Plattformen wie „YouTube“ zur Unterhaltung oder zum persönlichen Gefühlsmanagement nutzen.
    Auch die Nutzung des Internets aus sozialen Motiven ist eine Domäne der Jugendlichen. Sie sind deutlich häufiger in den Welten der so genannten Online-Social-Networks unterwegs als die Erwachsenen.
     
    In diesem Zusammenhang ist auch auf die wichtige Funktion des Internets für die Herausbildung von kulturellen Identitäten unter Jugendlichen hinzuweisen. Indem sich Jugendliche auf bestimmten szenekulturell positionierten Internetplattformen einloggen oder sich in jugendkulturell codierte Netzwerke einbringen, arbeiten sie an ihrer Identität, die dabei ist, zur multiplen Identität zu werden. Die identitätsorientierte Nutzung des Internets ist längst zu einem Spiel mit Identitätsmasken geworden. Auch was die eigene Identität betrifft, wollen Jugendliche flexibel bleiben. Das Internet eröffnet ihnen einen Möglichkeitsraum, in dem es weit weniger als im wirklichen Leben notwendig ist, sich festzulegen. Rollen können gewechselt oder verschiedene Rollen gleichzeitig auf verschiedenen Plattformen gespielt werden. Selbst zwischen verschiedenen Geschlechterrollen kann changiert werden. Ein Spiel mit dem Geschlecht zeichnet sich ab, das auf einen soziokulturellen Raum jenseits des gesellschaftlichen Ordnungssystems der Heteronormativität verweisen könnte.
    Der Aufstieg einer performativen, auf persönliche Selbstdarstellung ausgerichteten Ökonomie befördert nicht zuletzt die weitgehende Ästhetisierung des Lebens. Die Kommunikation über die Welt ist wichtiger geworden als die Welt selbst. Wichtiger als die Dinge ist die Art und Weise, wie sie geformt oder arrangiert sind. Das ästhetische Prinzip, das die Gegenwart beherrscht, die Lust am Ästhetischen, die heute das Handeln der Menschen bestimmt, beschreibt Wolfgang Welsch folgendermaßen: „Die spezifisch ästhetische Lust bezieht sich beispielsweise auf das Arrangement von Speisen – statt auf deren Substanz, oder den Vollzug der Liebe – statt der Triebbefriedigung, oder auf die Form der Rede – anstelle deren Inhalt.“ (Welsch 1996: 26f)
    Vor allem die Mittelschichten inszenieren ihre besonders kultivierte Einstellung zum Sinnlichen und grenzen sich so von den bildungsfernen unteren Sozialschichten ab. Dem individualisierten Individuum geht es vorrangig um die Ästhetik seiner persönlichen Existenz, um das fast künstlerische Spiel mit Formen, Farben und Stilen, mit dem es der Auslöschung seiner Individualität in einer von Normen und kommerziellen, homogenen Stilen geprägten Massengesellschaft zu entgehen versucht.
    Zudem vermittelt die ästhetische Welt den Eindruck der Leichtigkeit, der Veränderbarkeit und des Schwebens, eine Gegenwelt zur kühlen ökonomisierten Kultur der Leistungs- und Konkurrenzgesellschaft. In den Jugendkulturen herrscht vielfach der Vorrang des Möglichen vor dem Wirklichen, der Vorrang des Spielerischen vor der Wirklichkeit der sozialen Interaktion. Das Spiel mit Identitäten im Internet, aber ebenso in der realen Lebenswelt ist auch als ein individuelles strategisches Manöver gegen die Ökonomisierung und Verzweckung des Lebens in der Postmoderne zu interpretieren.
     
    Die Ästhetisierung des Lebens befördert die bildzentrierte, nicht-argumentative, symbolische Kommunikation. Bilder drängen in den Vordergrund, der wortsprachliche Anteil der Kommunikation wird reduziert. Anstelle des überzeugenden wortsprachlichen Arguments tritt die Verführungskraft des Bildes. Auch die Sprache der Menschen wird metaphorisch, psychologisch, von irrationaler Symbolik heimgesucht. Indem Klarheit und Eindeutigkeit in der Kommunikation vermieden wird, bleiben Auswege und Möglichkeitsräume offen. Das Bild ist interpretationsoffener als das sprachliche Argument. Wer flexibel bleiben und Festlegungen vermeiden will, der zieht das Bild der Sprache vor oder verwendet eine mit bildhaften Redewendungen angereicherte Sprache.
    So breitet sich in der Alltagssprache der Menschen, aber auch in der politischen und der Werbekommunikation eine nichtbegriffliche Kommunikation der

Weitere Kostenlose Bücher