Performer, Styler, Egoisten
„Nicht-Agieren-müssen“ (Ferchhoff 2007: 373), im einmal nicht aktiv und initiativ sein müssen, im sich fallen lassen dürfen, ohne dadurch das Image eines faulen Menschen zu bekommen, der die Möglichkeitsräume seiner Zeit nicht nutzt.
Was macht nun aber die besondere Attraktivität des Internets aus? Hierbei kann auf den medienwissenschaftlichen Begriff der technischen Konvergenz zurückgegriffen werden. Konvergenz bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das Internet zu einem Allroundmedium geworden ist, das unterschiedliche Medienbedürfnisse wie Kommunikation, Unterhaltung und Information gleichzeitig erfüllt (Friedrichs/Sander 2010: 30). Das Internet ist damit der Universalschlüssel zur Medienwelt. Über das Internet wird der Zugang zu unterschiedlichen Medieninhalten, die traditionellerweise auf anderen Kommunikationskanälen zugänglich sind (Fernsehen, Tageszeitungen), möglich. Die zweite wichtige Attraktivitätskomponente liegt in der Möglichkeit zur aktiven Kommunikation, die das Internet eröffnet. Über 70 Prozent der Jugendlichen nutzen das Internet mehrmals die Woche, weil sie E-Mails schreiben, Communities besuchen oder per Chat kommunizieren wollen. Hieran zeigt sich, dass beim Internet besonders das aktive Moment eines „Lean-Forward-Mediums“ geschätzt wird. Im Internet geht es für Jugendliche in erster Linie um aktive Kommunikation und Beziehungspflege. Zudem bietet sich das Internet aber auch als autonomer Raum an, in dem Jugendliche ihr kulturelles Leben ohne Erwachsenenbeaufsichtigung leben können, d. h., sie können ihre Kulturen praktizieren, ohne Reglementierung und Pädagogisierung durch Erwachsene unterworfen zu sein (Friedrichs/Sander 2010: 34f.).
Während die Internetnutzung in den letzten Jahren deutlich angestiegen ist, geht die TV-Nutzung zurück; vor allem hat sich aber die Art und Weise, wie Jugendliche das Fernsehen nutzen, deutlich verändert. Die Daten der österreichischen Media-Analyse zeigen, dass im Zeitraum von 2001 bis 2007 die Zahl der Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 19 Jahren, die das Internet unmittelbar am Tag vor der Befragung genutzt haben, von 33,4 Prozent auf 66,7 Prozent gestiegen ist. Gleichzeitig ist die durchschnittliche Jahresreichweite der ORF-Programme in der Altersgruppe im selben Zeitraum von 43,5 Prozent auf 35,5 Prozent gefallen (Verein Arbeitsgemeinschaft Media-Analysen 2007).
Die Fernsehgewohnheiten der Jugendlichen unterscheiden sich von denen der Erwachsenen in vielfältiger Form. Die wichtigste Eigenheit der jugendlichen FernsehkonsumentInnen besteht darin, dass das TV-Gerät nicht mehr die ungeteilte Aufmerksamkeit der SeherInnen genießt. Jugendlicher Medienkonsum tendiert mehr und mehr zur simultanen Medienrezeption. Jugendliche nehmen das Fernsehen vielfach nur über den Laptop-
rand hinweg wahr, während gleichzeitig noch geskypt wird und der Mp3-Player läuft. Zudem ist die Medienrezeption von Jugendlichen durch die Dominanz eines anderen „alltagsästhetischen Schemas“ (Schulze 2005: 150) bestimmt als das vieler Erwachsener. Jugendliche suchen, auch wenn sie sich beim Fernsehen passiv zurücklehnen, im TV-Programm gezielt nach spannender Unterhaltung, d. h. nach Abwechslung, dynamischen Bildern, schnellen Wechseln, unerwarteten Wendungen. Damit steht die jugendliche TV-Rezeption im Zeichen des Spannungsschemas, ein Kulturschema, in dem es unter anderem darum geht, das „Selbst gut zu stimulieren“ (ebd.: 156). Die Stimulierung des Selbst erfolgt am besten durch rasante Wechsel von Sinn-, Ton- und Bilderwelten (Ferchhoff 2007: 371), durch Tempo, Abwechslung, Fragmentierung und „die Zusammenballung von Augenblicksmomenten“ (Schäfers/Scherr 2005: 145).
In der Art und Weise der jugendlichen TV-Rezeption zeigt sich etwas, was Ferchhoff das „Subito-Prinzip“ nennt: Die Jugend nimmt sich für nichts lange Zeit. Wünsche müssen schnell befriedigt werden, genauso wie sich Zeichen und Codes spontan und schnell entziffern lassen müssen. Ist dies nicht der Fall, dann geht man darüber hinweg, wendet sich dem nächsten, vielleicht leichter decodierbaren Text zu. Metaphorisch für ein solches Medienverhalten steht das „Zappen“. Es ist das Symbol für jugendliche Ungeduld und das Gebundensein an den spontanen Zauber der Oberfläche, der sich hier und jetzt und sofort, also subito, einzustellen hat. „Ungeduldiges Zappen ist Gegenprogramm zum geduldigen Abwarten-Können, zur gelassenen Lebensplanung und zum
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