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Performer, Styler, Egoisten

Performer, Styler, Egoisten

Titel: Performer, Styler, Egoisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Heinzelmaier
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größerem Ausmaß in posttraditionalen Kontexten, d. h. außerhalb von traditionellen Sportvereinen betrieben. Struktureller Rahmen der sportlichen Betätigung sind lockere, informelle Freundesgruppen, in denen gejoggt, im Park Fußball gespielt oder im Fitnesszentrum Bodystyling getrieben wird.
    Das Fitnesszentrum ist die Metapher für eine neuartige, posttraditionale Sportkultur. Es bietet eine marktgerechte, professionelle Dienstleistung an, fordert dem Konsumenten aber keinerlei persönliche Bindungen und Verpflichtungen über die vertraglichen Rechtspflichten hinaus ab. Man kann kommen und gehen, wann und mit wem immer man will. Die Bestimmung des Ausmaßes der Beteiligung am sozialen Leben der Einrichtung obliegt dem Konsumenten, der zum Fitnesszentrum nicht mehr als eine „kühle“, zweckrationale Geschäftsbeziehung unterhält, die ihn zu nichts anderem verpflichtet, als seinen monatlichen Beitrag zu zahlen und sich an die Hausordnung zu halten.
    Im Zentrum der sportlichen Betätigung der Jugendlichen steht der Körper. In einer individualisierten Jugendkultur ist der Körper ein wichtiges Symbol und Stilmittel, um Einzigartigkeit zu demonstrieren. Durch den gestylten Körper inszeniert man sich als etwas Besonderes und generiert durch ihn gleichzeitig Identität, Anerkennung und Selbstwertgefühl. Der Körper wird so zum Sinnzentrum des Lebens, zum „Bezugspunkt für Sinnhaftigkeit“ (Ferchhoff 2007: 239). Der Körper also als sinnerzeugende Instanz in einer Kultur der Sichtbarkeit, in der er gleichsam als jeder Zeit einsetzbares, mobiles Kapital fungiert, das sich deutlich offensichtlicher als soziales und kulturelles Kapital zum Einsatz bringen lässt. Damit ist der Körper auch die adäquateste Kapitalform in einer Kultur der Sichtbarkeit (vgl. Schroer 2005: 36).
    Es gilt jedoch neben der symbolisch-demonstrativen Bedeutung des Körpers in einer individualisierten Gesellschaft einen weiteren Faktor zu beachten, der den gestiegenen Grad an Aufmerksamkeit für den Körper erklären hilft. Es ist dies das, was Bette als „simultan ablaufende Steigerung von Körperverdrängung und Körperaufwertung im Rahmen der modernen Gesellschaft“ (Bette 2005: 23) bezeichnet. So ist der Körper in vielen gesellschaftlichen Bereichen, z. B. im Erwerbsarbeitsleben, aber auch im Haushalt oder im Bereich der Fortbewegung im Öffentlichen Raum, einem Bedeutungsverlust unterworfen worden. „Zugleich expandieren kommerzielle Sportangebote, die Menschen ihren Körper wieder spüren lassen und den gesellschaftlichen, beruflichen und technisch bedingten Bedeutungsverlust von Körperlichkeit gewissermaßen kompensieren.“ (Posch 2009: 126)
    Der Körperkult, der sich in den Fitnesszentren inszeniert, ist also letztendlich auch als Versuch vieler junger, aber auch älterer Menschen zu bewerten, einen Körper, der im alltäglichen Lebensvollzug zweitrangig geworden ist, wieder an die erste Stelle, ins Zentrum ihrer Aufmerksamkeit und ihres Empfindens, zu rücken. Während also im „Reich der Notwendigkeit“ der Körper an Relevanz verliert, entsteht in der Sphäre der freien Zeit ein Körperkult, der in letzter Konsequenz auch als Refunktionalisierung eines in der Arbeitswelt und in der alltäglichen Mobilität zusehends entfunktionalisierten Körpers zu werten ist.
     
    Der skizzierte Bedeutungszugewinn des Körpers hat weitreichende Auswirkungen auf jugendliche Lebensmilieus und posttraditionale Vergemeinschaftungsformen. Sie sind einer zunehmenden „Versportung“ unterworfen, d. h., Bodystyling und das damit verbundene demonstrative Präsentieren des Körpers rücken ins inhaltliche Zentrum vieler jugendkultureller Stilgruppen.
    Wendet man sich den Sportpraxen der österreichischen Jugend zu, so zeigt sich, dass jene Sportarten dominieren, die gezielt auf die Formung des Körpers oder auf die jugendkulturelle Selbstdarstellung gerichtet sind. Traditioneller Mannschaftssport, Sport als Konkurrenz- und Leistungssport und Sport als absichtsloses Spiel zur Freude und Erbauung treten entsprechend in den Hintergrund, verlieren aber trotzdem nicht grundsätzlich an Bedeutung (vgl. tfactory 2008a).
     
    Im Geschlechtervergleich zeigt sich, dass in den Sparten Fitness und Laufen/Joggen der Anteil der aktiven Mädchen und jungen Frauen etwas höher ist als der der Burschen und jungen Männer. Anhand dieses Ergebnisses sieht man, dass die Ausübung von Sport zur gezielten Beeinflussung und Gestaltung der Körperästhetik unter

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