Performer, Styler, Egoisten
verliehen werden soll“ (Posch 2009: 109). Es geht also für den Menschen der Postmoderne darum, das innere Einstellungsmuster der Jugendlichkeit mit Hilfe von typischen Zeichen und Symbolen öffentlich adäquat darzustellen. Und wer sich als jugendlich darstellen, inszenieren will, der braucht Zugriff auf das Zeichen- und Symbolreservoir der Jugendkulturen. Wenn Menschen weit jenseits der Dreißiger jugendlich sein wollen, so geht das nicht immer auf eine persönliche, unabhängige und freie Entscheidung zurück. Vielmehr besteht in der Gesellschaft ein Zwang zum Jungsein. Wer nicht im Kopf jung ist und es nicht versteht, diese jugendliche Einstellung in passender kultureller Form öffentlich zu demonstrieren, der gilt vielen, insbesondere den EntscheidungsträgerInnen der Berufswelt, aber auch im Freundes- und Kollegenkreis, als träge, nicht erfolgsorientiert, zu wenig dynamisch, einfach als alt. Und es gibt nichts Schlimmeres, als zum alten Eisen zu gehören. Wer ihm zugezählt wird, dem droht nicht nur die Exklusion aus dem Arbeitsmarkt. Also versuchen die Menschen den Ausschluss aus der Gemeinschaft der Jungen, Erfolgreichen, Dynamischen und Schönen dadurch zu vermeiden, dass sie sich demonstrativ jugendlich inszenieren, indem sie sich kulturelle Artefakte, Verhaltensweisen und Lebenseinstellungen der Jugendkulturen aneignen.
Jugendlichkeit wird auf den Freizeitmärkten gehandelt. Sie steckt in Sportgeräten, Modeartikeln, Accessoires, aber auch in Urlaubsangeboten, Computerspielen und Musikevents. Die kulturelle Macht auf den Freizeitmärkten liegt in den Händen der jungen Generationen. Junge ModedesignerInnen bestimmen, welche Hosen und Schuhe die juvenilen Fünfziger zu tragen haben, zwanzigjährige Stars der Musikszene geben den Takt und Tanzstil vor, nach dem sich junggebliebene Alte auf Bällen und in Tanzlokalen bewegen, und blutjunge NetzwerktechnikerInnen und ProgrammiererInnen bestimmen darüber, wie die Alten im Internet kommunizieren und welche Computerprogramme sie benutzen.
Nimmt man also die kulturelle Sphäre im weiteren Sinn ins Visier, so zeigt sich schnell, dass dort jugendliche Dynamik, junge Lifestyles und juvenile Ästhetiken regieren. Der Grund für diese Umkehrung der kulturellen Machtverhältnisse von den Alten zu den Jungen liegt für Margaret Mead in der Enttraditionalisierung der Gesellschaft: In einer Gesellschaft wie der unseren, die durch dynamischen Wandel und schnelle Wechsel charakterisiert ist, werden Fertigkeiten, Werte, Gebräuche, ästhetische Muster etc. so schnell entwertet, dass den Alten nur mehr wenig bleibt, was sie den Jungen weitergeben könnten. Ihre traditionellen kulturellen Besitzstände und Kompetenzen sind oft bereits prekär und schon im Begriff wertlos zu werden, während sie diese noch an ihre NachfolgerInnen weiterzugeben versuchen (vgl. Mead 1982).
Im Gegensatz dazu stehen die Jungen an der Spitze des Fortschritts, an der Bruchlinie zwischen der Gegenwart und der Zukunft, mitten in der heißen Zone, wo sich das Neue abzuzeichnen beginnt und erste Konturen gewinnt. Gerade in einer Gesellschaft des Steigerungsspiels, in der es als höchste Tugend gilt, neue Möglichkeiten zu erschließen, Altes hinter sich zu lassen und die Grenzen hin zum Noch-nie-Dagewesenen zu überschreiten, ist es von entscheidender Bedeutung, sensibel für Zukunftstrends zu sein. Nicht das, was heute ist, und schon gar nicht, was gestern war, ist interessant, sondern das, was morgen kommen wird. Und am besten ist es überhaupt, das Neue hervorzubringen, es zu erschaffen, die Trends selbst zu setzen.
Entsprechend leben und agieren die Jugendlichen vor allem in der Freizeit. Sie tragen den angesagtesten Haarschnitt, haben das coolste neue Skidress, hören die hippste Musik aus den Clubs von New York, verwenden das aktuellste Handy-Modell von Apple und wissen, auf welcher Internetplattform man einfach sein muss, will man die interessantesten Typen kennen lernen. Die Jungen verfügen damit über das Wissen, das zur Ausübung des wichtigsten postmodernen Kultes, des Jugendkultes, unerlässlich ist. Nachdem ein immer größer werdender Teil der Älteren sich aufgrund des hohen Konformitätsdrucks dazu entschließen muss, aktiver Bestandteil dieses Kults zu sein, gerät die Jugend als authentischer Träger des Kultes in eine durchaus relevante soziokulturelle Machtposition. Sie entscheidet darüber, welche (Freizeit-)Sportarten von den Menschen ausgeübt werden, welche Klamotten man
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