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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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mächtigsten und belesensten Menschen ausgetauscht hatte?
    Endlich war auch die Komplet vorüber. Als die Äbtissin die Kirche auf ihren Stock gestützt verließ, trat Clemens neben sie und bat um ein dringliches Gespräch, doch die Vorsteherin verwies ihn auf den nächsten Tag.
    »Es ist überaus wichtig, ehrwürdige Äbtissin«, beharrte Clemens, »es geht um den Mönch aus Zwiefalten, der hier begraben liegt.«
    Sie musterte ihn prüfend, ohne den Schritt zu verlangsamen. »Ich muss gestehen, ich hatte Euch ebenfalls zum Fest zu Ehren der seligen Hildegard erwartet, doch wie ich hörte, seid Ihr sehr beschäftigt.«
    »Ich will ehrlich zu Euch sein, ehrenwerte Mutter, ich komme nicht nur als Gast. Ich bin besorgt über einige Vorfälle, die Euer Tochterkloster betreffen.«
    »Das bin ich auch, denn wie Ihr wisst, bin ich erwählt, diese Gemeinschaft mit dem Stab zu regieren. Doch ich bin von Schmerzen gepeinigt und vermag nicht, unser Tochterkloster aufzusuchen. Meine Fürbitten gelten Priorin Agnes, die jünger ist als ich und sich mit gutem Willen als Vorsteherin um die Belange des Klosters kümmert.« Damit verschwand sie im Nonnentrakt und ließ Clemens, blass vor Enttäuschung, stehen.
    An Schlaf war nun nicht zu denken. Selbst wenn sein Körper, ausgezehrt von den Strapazen, das Lager herbeisehnte, wusste er, dass sein Geist dem nicht nachgeben konnte.
    Entmutigt ging er über den Klosterhof, durch die Friedhofskapelle hinaus auf den Friedhof.
    Die blattlosen Bäume wiegten sich im Wind, als er die Reihen durchschritt und nach frisch aufgeworfener Erde Ausschau hielt,in der man Adalberts Asche begraben hatte. Doch die Nacht versperrte ihm die Sicht.
    Unschlüssig, was er nun tun sollte, ging Clemens zu einer verwitterten Steinbank seitlich der Kapelle. Als er sich setzte, verspürte er die Müdigkeit, die er lange verdrängt hatte und nun drohte, ihn zu übermannen. Langsam atmete er die kalte Luft ein und blickte über die Reihen der Kreuze, dann sank ihm sein Kopf auf die Brust.
    Ein sanftes Rütteln ließ ihn aufschrecken. Wie lange hatte er geschlafen? Vor ihm stand eine Benediktinerin, groß und asketisch, mit hoch erhobener Lampe, und leuchtete in sein Gesicht. Sie mochte nur wenige Jahre jünger sein als er.
    »Mein Name ist Johanna. Die Äbtissin bat mich, Euch in Kenntnis zu setzen.«
    »Wovon?« Verwirrt rieb Clemens die Augen.
    »Ihr dürft nicht glauben, die Oberin sei zu alt, um Dinge außerhalb des Alltäglichen wahrzunehmen.« Johanna stellte die Lampe zu Boden und setzte sich zu ihm auf die Bank. »Sie ist erfreut und erleichtert über Euren Besuch, und sie wies mich an, all Eure Fragen hinlänglich zu beantworten.«
    »Auch Fragen zu Adalbert von Zwiefalten?«
    »Gerade diese.«
    Das war endlich eine erfreuliche Wendung. »Was wisst Ihr von dessen Zustand, bevor man ihn in geheiligter Erde begrub?«
    »Er ist gefoltert und dann mit bloßen Händen erwürgt worden.«
    Erstaunlich, dachte Clemens und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Dann wisst Ihr auch, dass er die Lingua Ignota beherrschte?«
    Die Nonne nickte, und Clemens vermeinte, ein leises Lächeln über ihr Antlitz huschen zu sehen.
    »Adalbert von Zwiefalten nahm jedes Jahr eine weite Reise auf sich, um am jährlichen Hildegardisfest teilzunehmen«, fuhr er fort. »Ich nehme an, ich erzürne die selige Prophetin nicht, wenn ich mutmaße, er tat es nicht nur aus Verehrung?«
    »Ihr habt recht, selbst wenn wir in diesen Tagen so manchen Gast beherbergen, der eine weit größere Entfernung zurücklegte. Adalbert kam, weil er auf eine Weisung wartete.«
    »Und die war in diesem Jahr erfolgt?«
    »In der Tat.« Die Nonne musterte ihn ohne Misstrauen. »Adalbert gehörte zu einem Kreis weniger Menschen, die Hildegard vor ihrem Tode um sich geschart hatte, um eine Vision zu schützen, die bis zur Verkündung unantastbar sein musste. Sie wählte die Menschen mit Bedacht und teilte jedem eine Aufgabe zu. So konnte sie sicher sein, dass, was immer auch geschah, ein jeder seinen Teil zum Ganzen beitrug, jedoch niemandem alleine die gesamte Last oblag.«
    »Was war Adalberts Aufgabe?«
    »Als die Zeichen die Zeit der Vision ankündigten, erhielt Adalbert ein versiegeltes Pergament, das eine Botschaft verbarg, die nur diejenigen zu entschlüsseln vermögen, die der geheimen Verständigung mächtig sind.«
    »Die Lingua Ignota .«
    »Die vollständige Lingua Ignota als auch die Zeichen der Litterae Ignotae , der unbekannten

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