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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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Schrift.«
    »Was aber, wenn er zwischenzeitlich verstorben wäre?«
    »Es gab einen weiteren Eingeweihten in Zwiefalten, der an seiner statt gekommen wäre.«
    Clemens nickte. Bruder Wenzel hatte ihm von dem Mönch Michael erzählt, der indessen einer Krankheit erlegen war. »Seid Ihr dieser Verständigung mächtig?«
    Johanna schüttelte den Kopf. »Nein, denn mir als Bibliothekarin war die Aufgabe zuteil geworden, auf die Zeichen zu achtenund das Schriftstück weiterzugeben. Jedem nur einen Teil, aber alle zusammen ergeben ein Ganzes.«
    »Adalbert erhielt also ein Pergament. Ein Pergament, auf dem die Vision geschrieben stand.«
    »Nicht die Vision. Doch wer das Werkzeug der geheimen Verständigung beherrscht, ist mit Hilfe des Pergaments in der Lage, die Stelle zu finden, an der die letzte Visionsschrift verborgen ist.«
    »So hatte der Mönch der Folter getrotzt und war geflohen, um seine Mission zu erfüllen – im Kloster Eibingen.« Clemens seufzte. Die Reise hatte ihn quer durch das Erzbistum geführt, nun aber musste er erkennen, dass das Ziel an jenem Ort lag, an dem seine Suche begonnen hatte. »Doch das Pergament ist verschwunden und Adalbert tot. Wenn es stimmt, was Ihr sagt, und Hildegard sich klug absicherte – wer kann uns dann noch helfen?«
    »Wir hatten gehofft, Ihr könntet uns das sagen.«
    »Ich? Warum ich?«
    »Weil auch Ihr ein Teil dieses Planes seid.«
    »Ihr müsst Euch irren. Das letzte Mal, als ich Hildegard lebend sah, sprach sie nur wenige Worte mit mir. Doch nichts, was auf eine derartige Aufgabe hinwies.«
    »Es ist nicht immer der Oberste, der die Anweisungen gibt, manchmal muss man sich mit Mittlern helfen. So wie auch ich heute mit Euch spreche im Auftrag der Äbtissin.«
    Clemens verstand nicht. Er dachte an den Besuch, die Zeit im Frühling, als er seinen Großonkel auf dessen Einladung im Kloster getroffen und ihn zum letzten Mal lebend gesehen hatte. Er fuhr auf, von blitzartiger Erkenntnis durchzuckt. »Heinrich!«
    Die Nonne lächelte wissend.
    Clemens schloss die Augen. Er suchte in seiner Erinnerung, spürte wieder den warmen Lufthauch, der ihn an jenem Tag umwehte, als sein Großonkel ihn beiseitegenommen hatte.
    »Hildegard hatte eine Vision«, hatte Heinrich gesagt, Worte, die Clemens nie vergessen würde. »Anders als diejenigen, die sie sonst in ihre Wachstafeln ritzt. Es geht um eine Zeit, die erst kommen wird. Wenn die Zeichen der Endzeit nahen und der Papst zur Reise zum heiligen Grab aufruft, dann sei gewappnet und stelle dich in den Dienst Gottes und seiner Prophetin. Es gibt Menschen, die ihr die Gabe der inneren Schau neiden und ihre innige Verbundenheit mit dem Herrn, denn auch unter uns gibt es Schlangen. Der Teufel kommt, um die Christenheit zu verderben. Du, Clemens, solltest dich bereitmachen. Wenn etwas passiert, das dir Gewissheit gibt, dann schreite ein.«
    Clemens öffnete die Augen. »Der Teufel kommt, um die Christenheit zu verderben. Was hatte er damit gemeint?«
    »Das könnt nur Ihr beantworten«, erwiderte die Nonne.
    Resigniert schüttelte er den Kopf. Hildegard von Bingen war eine kluge Frau. Doch wie konnte sie ihre Fäden derart spinnen, dass sie noch neun Jahre nach ihrem Tode zu halten vermochten? Welche Rolle hatte sie ihm in diesem Zusammenspiel zugedacht? Clemens erinnerte sich an die Zeit, nachdem Hildegard gestorben war. Auch er war gekommen, um den Nonnen sein Beileid auszusprechen und für die Seele der Prophetin zu beten. Als kurz darauf auch Adelheid starb, welche die Meisterin zu ihrer Nachfolgerin erkoren hatte, war er tief erschüttert gewesen, doch war bald eine würdige Äbtissin gefunden geworden, klug und vorausschauend.
    Ein Gedanke drängte sich in sein Bewusstsein. »Was geschah mit Hildegards Weisung, als Adelheid verstarb? Wurde sie gleichsam mit dem Äbtissinnenstab weitergereicht?«
    »Gewiss.«
    Er sah Johanna an, betrachtete ihr Antlitz im Lichtschein der am Boden stehenden Laterne. Eine gereifte Frau, doch zu jener Zeit zu jung für diese bedeutsame Stellung. »Und wie steht es mitEuch? Seid Ihr in der Position der Bibliothekarin seit Hildegards Tod?«
    »Nein. Zu jener Zeit war Agnes Bibliothekarin. Jene Agnes, die wenige Jahre später zur Priorin des Tochterklosters berufen worden war.«
    Agnes! Eine schreckliche Erkenntnis machte sich in Clemens breit. Er sprang auf. »Sagt, was genau ist es, das den Bibliothekarinnen des Klosters an Wissen zuteilwurde?«
    Johanna sah ihn erschreckt an. »Nahezu alles. Bis auf

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