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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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auf den Boden gebreitetes Strohlager, sondern ein gezimmerter Holzkasten mit einer festen strohgefüllten Matte. Darauf wärmende Felle und – Elysa musste bitter lächeln – ein mit Federn gefülltes Kissen. Hastig schüttelte sie Felle und Decken. Die Zeit drängte, die Priorin konnte jeden Moment zurück sein.
    Elysa hob die Matte vom Holzgestell, sie fand einen kleinen Lederbeutel, von einer Kordel gehalten, und überprüfte den Inhalt, doch bis auf einen vom Wasser geschliffenen Stein war er leer. Das Fragment war weder dort noch unter der erloschenen Laterne, die auf dem Boden stand. So sehr Elysa auch suchte – es blieb verschwunden.
    Enttäuscht hielt sie inne. Sollte sie mit leeren Händen zur Schreibstube gehen, wo Margarete und vielleicht auch schon Ida auf sie warteten? Noch einmal kroch sie über den Boden, tastete in Ecken und Winkeln, dann wurde das Gefühl wachsender Gefahr übermächtig.
    Als Elysa den pergamentbespannten Rahmen wieder vor die Fensteröffnung stellen wollte, schien er nicht zu passen. So sehrsie auch drückte, er glitt nicht hinein. Verwundert stellte sie den Rahmen beiseite und besah sich die Öffnung. Hatte sich ein Teil der Bruchsteinmauer gelöst?
    Sie tastete mit den Fingern, ja, etwas Hartes ragte aus einer Vertiefung der Mauer. Doch es war kein Stein, sondern ein kleiner Schlüssel, der sich beim Abnehmen des Rahmens gelöst haben musste. Ohne zu zögern, steckte Elysa ihn ein, schob den Rahmen in die Öffnung und verließ den Raum.
    Vorsichtig schlich sie den Gang entlang, an der schlafenden Gudrun vorbei, die Treppe hinab in den Kreuzgang. Die Krankenstube lag nun im Dunkeln. Hatte Ida die Gelegenheit gefunden, hinaus zum Skriptorium zu schleichen?
    Als Elysa die Schreibstube betrat, war nur Margarete zugegen. Sie saß an einem der Pulte und starrte zur Treppe. Die Fensteröffnungen hatte sie mit dunklen Wollstoffen verhängt, die im Handarbeitsraum gelegen hatten, um ausgebessert zu werden, und die nun das flackernde Licht der Laterne daran hinderten, nach außen zu dringen.
    Sobald sie Elysa sah, sprang sie auf. »Wo ist das Fragment? Hast du es gefunden?«, flüsterte sie.
    »Nein. Die Priorin war gerufen worden, und so fand ich ausreichend Zeit, die Zelle genauer zu untersuchen, doch ich habe es nicht entdecken können. Entweder es war zu dunkel, um das Versteck zu entdecken, oder Agnes hat das Fragment bereits weitergegeben«, entgegnete Elysa, ebenfalls im Flüsterton.
    »Denkst du an den Exorzisten?«
    Elysa nickte. »Es gibt auch noch eine dritte Möglichkeit: Ida hat nicht die Wahrheit gesagt.«
    »Unmöglich. Niemals spräche Ida mit höllischer Zunge. Sie ist eine wahre Braut Gottes, edler und reiner erlebte ich noch keine. Sie ist die Hüterin der Tugenden!«
    Widerstrebend stimmte Elysa zu. »Dennoch komme ich nicht mit leeren Händen. Ich habe einen Schlüssel gefunden, der in der Fensteröffnung verborgen war.«
    Margarete bat, ihn sich ansehen zu können. »Ich kenne ihn«, sagte sie erregt, als sie ihn in Händen hielt, und vergaß dabei, ihre Stimme zu zügeln. »Es muss Jahre her sein, als ich ihn das letzte Mal sah. Dieser Schlüssel öffnet das Schloss der Archivtruhe!«
    Sie kniete sich vor die eisenbeschlagene Holztruhe und drehte den Schlüssel im Schloss.
    »Er passt«, rief sie aus, als sich das Schloss mit einem Knacken öffnete.
    In der Truhe befanden sich mehrere Schriftstücke, allem Anschein nach die Klosterannalen, unordentlich zusammengebunden mit einer einfachen Hanfkordel. Gleich darunter aber – Elysa musste sich zusammennehmen, um ihrer Freude nicht allzu laut Ausdruck zu verleihen – lag der verschwundene Scivias, Hildegards erste Visionsschrift, dessen Text sie auf dem Pergament erkannt hatten.
    Elysa legte das gebundene Werk auf eines der Schreibpulte, stellte die Laterne auf die Tischplatte und beugte sich darüber. Die Visionsschrift war eine eilends angefertigte Kopie, der Datierung nach aus genau jener Zeit, als das Rupertsberger Skriptorium dem Kopieren der Werke und Lieder und all der Anfragen an die Meisterin nicht mehr Herr geworden war.
    Während Margarete die Schrift betrachtete, schlich sich ein trauriger Zug auf ihr Antlitz. Sie war ebenfalls sehr beschäftigt gewesen zu jener Zeit, so berichtete sie, jedoch in Eibingen, auf dessen Mithilfe man nicht gezählt hatte. Auch Agnes hatte später, als sie viele Monate nach Hildegards Ableben als Priorin nach Eibingen berufen worden war, im Skriptorium gesessen und mit

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