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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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verschluckte die Worte, er hob an, bis das Schnarren seiner Stimme weit über den Hof klang, bis hin zu Elysa, die erstarrt die Vorgänge verfolgte.
    »Quicumque vult salvus esse, ante omnia opus est, ut teneat …«
    Schon einmal hatte sie einem Exorzismus beigewohnt, es war Herbst gewesen, in einer Zeit, die sie eigentlich ihrem Gedächtnis entrissen hatte. Der Wind hatte die Blätter von den Bäumen gezerrt und mit ihnen die Hoffnung auf die Rückkehr eines unbeschwerten Lebens.
    »Conjuro vos nubes, et grandines, seu tempestates …«
    Elysa versuchte, sich auf das Geschehen vor der Klosterkirche zu konzentrieren. Der Priester zeichnete achtmal das Kreuz.
    »Domine Jesu Christe, qui fecisti coelum, et terram, mare, et omnia, quae in eis sunt …«
    Doch es wollte ihr nicht gelingen. Die Stimme des Exorzisten mischte sich mit der Stimme jenes Priesters, der sich anschickte, die Dämonen aus dem Körper ihrer Mutter zu treiben, die sich ihrer bemächtigt hatten, nachdem das Wasser des Burggrabens ihr über kostbare Augenblicke hinweg den Atem genommen hatte.
    »Domine Deus omnipotens Pater …« Ihre Mutter hatte geschrien und sich von den Männern losreißen wollen, die sie festhielten, um sie vor den Augen derer, die sich im Burgsaal versammelten, von den bösen Mächten zu reinigen. Alle waren gekommen, Dienstboten, Mägde und Köchinnen, Landarbeiter und Pferdeburschen, und gafften angesichts des erregenden Schauspiels, das ihnen das tägliche Allerlei versüßte.
    »Ad honorem Dei omnipotentis Patris …«
    Nie würde sie das Gesicht ihres Vaters vergessen, dessen Mundwinkel ein selbstgefälliges Lächeln umspielte, während der Priester die Mutter, die wild um sich trat, nach der Anzahl der eingefahrenen Dämonen befragte.
    Doch um wie viel schrecklicher war der Ausdruck ihres Bruders – Magnus, damals kaum älter als zwölf Lenze, der das Geschehen mit unverhohlener Gier, ja Erregung verfolgte. Und der, als der Exorzist den Dämonen mit Drohung befahl zu weichen,wie in Ekstase schrie, er solle sie hart züchtigen, bis sie aus dem Leibe der Besessenen ausführen.
    Elysa schüttelte den Kopf, um die Bilder zu vertreiben, es wollte ihr jedoch nicht gelingen. Nur mühsam konnte sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Radulf von Braunshorn richten, der nun ein Kreuz gegen die vier Himmelsrichtungen reckte und in einer ausladenden Bewegung Weihwasser hinterhersprengte. Der Schmerz und die Hilflosigkeit angesichts der mit Macht aufsteigenden Bilder gewannen Oberhand. Tränen bahnten sich ihren Weg und schwemmten das vor Furcht verzerrte Gesicht der Mutter an die Oberfläche.
    Mit einem Ruck wandte Elysa sich um und atmete tief ein, bis die Tränen innehielten und die Bilder wieder zur fernen Erinnerung wurden.

5
    E rneut war die Anwärterin aufsässig gewesen, war zur Prim nicht erschienen, sie musste es der Priorin melden. O Herr, was ist nur mit Deinen Schafen? Sie kamen, um sich zu zerstreuen, nicht, um Dich zu loben und zu preisen.
    Und was war neuerlich mit den Gesandten des Erzbischofs? Ach, sie alle waren verdorben, verführt von dem Glanz ihrer hohen Stellung. Entrüstet schüttelte Ida den Kopf.
    Die blinde Nonne kannte ihren Weg, der Stab glitt leise über den Boden. Gleich war sie bei der Priorin, doch als Ida sich der Tür näherte, zögerte sie. Jemand war bei Agnes und sprach leise vertraute Worte. Es war die Stimme eines Mannes – eines Mannes, der sich mit einem Hauch von Weihrauch umgab und dessen Stimme sie unter vielen herauszuhören wusste.
    »Doch wir sollten nicht die Unwetter für Eure Not verantwortlich machen«, sagte er schnarrend. »Weitaus begreiflicher wäre es, sie dem Geist einer widerspenstigen Nonne zuzubilligen, der hier herrscht und der dem Strahlen dieses ehemals prächtigen Klosters abträglich ist.«
    »Zweifellos.« Die Stimme der Priorin klang ehrfürchtig, geradezu geschmeichelt. »Doch an wen denkt Ihr?«
    Es war nicht recht zu horchen, die Meisterin hätte es nicht gutgeheißen. Doch Ida verharrte, unfähig, sich fortzubewegen, und hob lauschend die Ohren.
    »Ich vermag den Namen nicht zu nennen«, sagte der Exorzist, »denn ich will noch abwarten und beobachten, bis ich gänzlich über die Vorgänge dieses Klosters im Bilde bin. Jene Person aber, von der ich sprach, scheint mir gefährlich und besitzt für mein Dafürhalten zu viel Macht.«
    Ida stockte. Gott hatte sie hierhergeführt, in einem Augenblick, in dem sie erkennen konnte, wer ihr zugetan war und wer den Bogen

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