Perlenregen
Wozu Spiegel, wenn wir ein junges Model dabei haben? Nun zier dich nicht so, ich möchte gerne die Kette an dir sehen. Herr …?“
„Ahlbeck“, sagt Leon.
Juweliergeschäft Ahlbeck …Er ist also wirklich der Chef. Oder der Sohn vom Chef und die andere ist seine Schwester. Hoffentlich! Leon Ahlbeck steht auf, tritt hinter mich und legt mir die scheußliche Bernsteinkette um. Ich kann kaum atmen, was Oma ganz genau bemerkt. Besorgt sucht sie meinen Blick, aber ich konzentriere mich auf einen ruhigen Puls. Jetzt bloß keine Schweißausbrüche bekommen.
„So, nun sehen Sie das Prachtstück. Steht Ihnen übrigens auch gut.“
„Danke, aber das ist eigentlich nicht mein Geschmack.“
„ Nela mag am liebsten Perlen. So richtig kostbare Zuchtperlen, nicht wahr, Nelchen?“, sagt Oma.
„Ihre Enkeltochter weiß, was gut ist. Bernstein ist einer Perle allerdings nicht sehr unähnlich. Beide Rohstoffe findet man auf dem Meeresgrund.“
„Ja, ja“, unterbricht Ruth uns, „was kostet das gute Stück? Es gefällt mir und erinnert mich an meinen ersten Mann.“
„Ich bitte dich! Das kannst du doch Walter nicht antun!“, schimpft Oma empört.
„Wieso nicht? Sind doch beide tot! Ich sag euch mal was, meine Lieben! Wenn man seine Männer überlebt hat, kann man sich alles kaufen, was einem in den Kram passt! Machen Sie mir ein gutes Angebot, Herr Hagenbeck …“
„ Ahlbeck“, sagt Leon, ein Lachen unterdrückend.
„… dann eben Ahlbeck. Wenn ich genug Bargeld dabei habe, kaufe ich den Klunker, ansonsten entgeht Ihnen das Geschäft.“
Ich bin gespannt, was Leon sagt. Wenn er jetzt fragt, wie viel Geld sie denn dabei ha be, küsse ich ihn auf der Stelle!
„Nun ja …“, spielt Leon mit. „Wie viel Geld haben Sie denn dabei?“
Wie gerne würde ich aufspringen, ihn an mich und die hässliche Bernsteinkette drücken, ihm einen Heiratsantrag machen – aber ich bleibe nur breit grinsend sitzen. Leon ist einfach göttlich, ich habe es gleich gewusst!
„Junger Mann, Sie sind mir ja einer.“ Ruth tut nur empört. In Wirklichkeit weiß sie spätestens jetzt, warum ich von diesem Mann besessen bin. „Das verrate ich Ihnen natürlich nicht. Was steht denn auf dem kleinen Zettel am Verschluss? Nela, mach mal die Haare hoch!“
Wie befohlen, greife ich m ir in den Nacken. Gott sei Dank, ich bin nicht verschwitzt. Ruth entziffert den Betrag.
„189 Euro. Ich wollte eigentlich nicht den ganzen Laden kaufen. Wie kommen wir denn jetzt zusammen?“
„Machen wir 160 Euro draus, was halten Sie davon?“ fragt Leon.
„150. Letztes Angebot. Mehr hätte mein Willi gewiss auch nicht ausgegeben.“
„Na gut, weil Sie alle so nett sind“, lacht Leon. Er öffnet den Verschluss , ich kann seinen tollen Duft riechen. Mir wird schwindelig, ich bin so hin und weg von ihm – das habe ich einfach noch nie erlebt. Wenn er mir doch nur ein winziges Zeichen geben könnte, dass auch er mich minimalst anziehend findet, aber da kommt einfach nichts.
Nachdem Ruth bezahlt hat, verlassen wir Leons Traumladen mit vielen „Tschüss“ und „Danke“-Rufen. Ich treibe Oma und Ruth an, damit sie nicht gleich vor der Tür zu plappern anfangen. Mir ist zum Heulen zumute. Ich bin überhaupt kein Stück weiter, außer dass ich nun noch mehr weiß, dass ich diesen Mann unbedingt haben will. Im Auto geht’s los mit den Kommentaren.
„Wenn ich nicht ungefähr 30 Jahre zu alt wäre, würde ich mich auf der Stelle in deinen Leon verlieben“, sagt Ruth.
„Wohl eher 40 Jahre“, kommentiert Oma ganz richtig.
„ Er ist toll, nicht?“, sprudelt es aus mir raus. „Sagt es mir ehrlich – ist er eine Nummer zu groß für mich, zu schön, zu edel? Und war das seine Frau, diese blöde grinsende Kuh? Sie sah ihm doch ähnlich, oder? Meint ihr, das war seine Schwester? Hoffentlich!“
Oma tätschelt mein Bein, während Ruth hinten leise über die Enge im Wagen rummeckert.
„Er ist großartig, Nelchen, wirklich. Genau der Richtige für dich, du musst ihn dir auf jeden Fall schnappen. Ihr würdet ein richtiges Traumpaar abgeben. Wenn nur diese andere Frau nicht wäre … Ich weiß nicht. Vielleicht seine Frau, vielleicht die Schwester oder eine ganz normale Angestellte. Er trug ja keinen Ehering. Ich bin mir nicht sicher.“
„ Dieser Breitmaulfrosch war ganz schrecklich, viel zu blöd für ihn“, sagt Ruth. Wir pflichten ihr heftig bei. Die beiden sind wirklich süß!
„Und was mache ich jetzt? Er beachtet mich doch gar nicht!
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