Perlenregen
vorne, weil ich ein paar Kinderanhänger erspäht habe, als von dicht hinter mir ein wohlvertrauter Duft in meine Nase zieht. Leon! Überrascht drehe ich mich um, genau wie er im Diner, als er den Plastikaufsteller anrempelte.
„Heute gar nicht auf Perlenjagd?“, fragt er amüsiert.
Kathi hat sich ebenfalls umgedreht und beobachtet uns gespannt. Ich weiß genau, was sie denkt. Wow! denkt sie. Und so ist es. Leon ist einfach „Wow“! Er steht ganz dicht vor mir, der weiße Hemdkragen – vermutlich Festtagskleidung für Juweliere – passt perfekt zu seinen dunklen Haaren. Ich kann mich gar nicht sattsehen an seinen scharf geschnittenen Gesichtskonturen, den fein geschwungenen Lippen und diesen wunderbaren grünen Augen.
„Nein“, sage ich. „Heute suche ich etwas für die Freundin meines Bruders, nicht für mich. Ich glaub, sie mag keine Perlen.“
„Das ist gut. Es wäre doch ein Jammer, wenn die schöne Kette von jemandem anderen getragen würde als von dir.“
Ein bisschen verlegen ist er jetzt schon, was ich unglaublich süß finde. Die Grinsefrau kann unmöglich seine Frau sein, sonst würde er hier nicht so offensichtlich mit mir flirten. Oder das gehört zum Geschäftskonzept. Hoffentlich nicht! Kathi weiß wie immer, was zu tun ist.
„Ihre Frau kann mir ja schon mal ein paar Anhänger zeigen“, mischt sie sich ein.
„Wie bitte?“, sagt Leon, dreht sich zu Kathi.
„Na, ich kann mir ja schon mal ein paar Stücke angucken, während Sie mit meiner Freundin über Ihr Lieblingsthema Perlen sprechen.“
„ Ach, haha, gerne, meine Kollegin zeigt Ihnen sicherlich gleich was. Nicole?“, fordert er die Grinsefrau auf.
Hurra! Sie ist nur seine Schwester! Zwar eine blöde Schwester, aber das macht nichts. Ich habe ja auch einen blöden Bruder. Blöde grinse ich Leon an; ich kann einfach nicht anders. Jetzt bloß nicht das Gespräch im Sande verlaufen lassen, dieses Mal muss ich dranbleiben!
„Ob jetzt gleich wieder die Zeit stehenbleibt? Man weiß ja nie, was einen erwartet “, sage ich.
„Hast du das eigentlich häufiger, dieses Phänomen?“, fragt Leon. „Ich hatte das bisher nur, wenn ich dich sehe.
„Ich auch.“
Kathi ist bereits mit der grinsenden Nicole beschäftigt. Ihre Stimmen dringen gedämpft zu Leon und mir durch, doch eigentlich kann ich mich kaum auf etwas anderes als ihn konzentrieren. Was soll ich jetzt bloß sagen? Mir fällt nichts Geistreiches ein, aber er scheint auch nicht besonders selbstsicher zu sein. Er beugt sich etwas vor und flüstert mir ins Ohr:
„Wenn ich jetzt einen Wunsch frei hätte, würden lauter Perlen auf dich regnen. Aber vielleicht wäre es besser, wenn dafür die anderen Leute erstarr en. Dann würde das irgendwie besser wirken, oder?“
„Och, ich würde die Perlen auch so nehmen, Zeit hin oder her“, lächle ich ihn an.
Leon sagt gar nichts mehr, sondern legt seine warmen, weichen Hände an meinen Kopf, zieht mich zu sich und küsst mich. Und das ist mehr wert als jede Perlenkette dieser Welt.
Ende
Inhaltsverzeichnis:
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Leseprobe Glitzersand
Kapitel 1
Wäre Luis mit mir nach Kreta geflogen, hätte sich bestimmt alles anders entwickelt. Doch mein Freund hatte kurzfristig einen Rückzieher gemacht und sich nicht an unsere Abmachung gehalten. Seit Monaten hatte ich unseren ersten gemeinsamen Urlaub geplant und dabei die deutlichen Zeichen übersehen. Luis liebte mich längst nicht mehr so wie zu Beginn unserer Beziehung, sondern hing häufiger mit seinen Freunden rum, als mit mir kuschelige Stunden zu verbringen. Wenn ich Kinokarten für romantische Komödien besorgte, runzelte er die Stirn und sagte: „Mäuschen, du weißt doch, dass ich nur Actionfilme gucke.“ Versuchte ich ihn zu überreden, bei meinen Eltern zum Sonntagskaffee aufzuschlagen, vertröstete er mich: „Nächste Woche, versprochen, mein Mäuschen. Heute muss ich unbedingt in die Halle und pfeifen.“ Luis ist Handball-Schiri und nimmt sein Hobby sehr ernst. „Ich liebe Handball eben“, meinte Luis. „Such dir doch auch etwas, was dich richtig zum Kochen bringt, Mäuschen. Ein bisschen langweilig bist du ja schon, aber mich stört es nicht.“ Sein „Mäuschen“ hing mir zum Hals raus.
Mit meinen 26 Jahren sehnte ich mich nach einer planbaren Zukunft. Sicher, ich konnte noch warten mit Kindern und eigenem Häuschen – aber ich wollte zumindest den Einen finden, mit dem all das eines Tages möglich wäre. Dabei
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