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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
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zu konservativer Kleidung, aus reiner Unsicherheit. Blauweißgestreiftes Hemd, gestreifte Krawatte, graue Flanellhosen, Blazer, Schnallenschuhe. Khakihosen nach Büroschluß. David war da ganz anders. Verspielt. Sein gutes Aussehen kam ihm natürlich entgegen. Eigentlich sah er in jedem Fetzen gut aus. Und nachdem wir ein paar Mal zusammen unterwegs gewesen waren, fing es an, mir richtig Spaß zu machen. Der komische Beigeschmack, der anfangs mit diesen Ausflügen verbunden war, verschwand. David feixte, alberte und brillierte bei den Verkäuferinnen mit seinem schnippischen Humor. Wir verließen die Läden triumphierend mit unseren Tüten und hinterließen durchpflügtes Terrain, wie ein ganzer Hühnerhof es nicht gründlicher hätte durchscharren können. Heute kommt mir das unbegreiflich vor. Peinlich? Nein, das nicht. Merkwürdig eher. Übermütig und mehr als das. Ausgelassen und nur auf uns selbst bedacht. Als seien wir auf Drogen gewesen.
    Und dann, an einem Samstagmorgen, hatten wir ein seltsames Erlebnis in Davids Lieblingsladen auf der Friedrichstraße. Wir waren zwischen den Kleiderständern verschiedener Designer herumgelaufen, hatten uns einige Teile geschnappt und suchten eine Kabine zum Anprobieren. Dabei verliefen wir uns in den Gängen hinter den Verkaufsräumen und standen plötzlich vor einer halb geöffneten Tür, Licht dahinter. Ich dachte zu Recht, daß wir endlich eine Umkleidekabine gefunden hätten. Und dann stand da dieses – Paar. Zwei nackte Oberkörper. Einer mit dem Rücken zu uns. Beide gleich groß. Eng umschlungen. Sie küßten sich. Ich war derjenige gewesen, der die Tür aufgestoßen hatte. Aber dann war ich so verblüfft, daß ich nicht einmal um Entschuldigung bat. Die beiden Männer lösten sich aus der Umarmung. In dem Augenblick, als sie sich umsahen, spürte ich Davids Hand in meinem Rücken. Sein Atem schlug in meinen Nacken, bevor er sprach.
    »Verzeihen Sie, wir haben eine freie Kabine gesucht.«
    Dann legte er seine andere Hand auf meine, die immer noch auf der Klinke lag, und zog die Tür wieder zu.
    Wir standen da und rührten uns nicht. Ich konnte kaum schlucken. Ich dachte, ich muß mich bewegen, muß gehen, muß irgend etwas sagen, mein Gott, es war eine so absurde Situation! Aber ich konnte mich nicht bewegen. David sah mich an. Forschend? Amüsiert?
    »Wir haben sie überrascht«, flüsterte er und lächelte.
    Ich antwortete nicht. Mein Kopf war leer, aufgebläht von einem Gedankenloch, als sei ich aus der Zeit gefallen. Meine Schläfen pochten. Da spürte ich seine Hand an meinem Hinterkopf, ein fester Griff. Diese Hand, mit der er sich immer die Haare nach hinten strich, zog mich zu sich heran, ganz dicht vor sein Gesicht. Ich wehrte mich nicht. Ich ließ es einfach geschehen, wartete, was weiter passieren würde, immer noch mit klopfenden Schläfen, atemlos.
    »Martin, was ist mit dir? Wir brauchen eine Kabine, um das Zeug anzuprobieren.«
    Er drehte sich um, klopfte an die nächste Kabinentür, und als niemand antwortete, öffnete er sie und machte eine auffordernde Kopfbewegung.
    »Kommst du jetzt, oder sollen wir das Zeug einfach so zu den Ständern zurücktragen?«
    Sein Lächeln wurde breiter. Zwinkerte er mit einem Auge? Mein Hals war trocken. Mein Hemd, so meinte ich, naß bis auf die Haut. Dann hörte ich David aus der Kabine plappern. Er probierte die Hemden an, eine Jeans, einen Pulli und wollte, daß ich mir das ansehe. Schließlich kam er heraus.
    »Ist dir nicht gut? Du siehst blaß aus. Ich nehme diese beiden Hemden hier. Dann muß ich unbedingt etwas essen. Hast du keinen Hunger?«
    Wir gingen in eine nahe gelegene Brasserie. David kannte den Empfangschef und plauderte mit ihm, stellte mich vor mit das ist mein Freund Martin Saunders , und wir bekamen einen Tisch in der Mitte, obwohl wir nicht vorbestellt hatten. Als wir saßen, strahlte er mich an.
    »Was für ein wunderbarer Nachmittag. Bloß die Jeans saßen nicht, da müssen wir nächsten Samstag noch einmal hin – oder hast du vorher Zeit? Ich finde …«
    Fast hatte ich den Eindruck, als hätte ich mir das, was kurze Zeit zuvor geschehen war, nur eingebildet. Als die Klamottenfrage erledigt war, erzählte David von seiner Schauspielausbildung, von Kollegen, mit denen er zusammen studiert hatte, von den Stücken und seinen Lieblingsrollen. Erst als er auf New York zu sprechen kam, gelang es mir, die eine oder andere Bemerkung über die Stadt zu machen, aus der ich kam. Die lange Geschichte

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