Perlensamt
des Courbet, des Bildes, das »der Anfang war«, erzählte David aber auch dieses Mal nicht.
Als ich am späten Abend nach Hause kam, fühlte ich mich erschöpft, als sei ich Kilometer marschiert. Der Tag lag wie eine Groteske hinter mir, und ich konnte mir meine Verwirrung nicht erklären. Ich kann mich nicht erinnern, daß je ein anderer Mensch bei mir so heftige Reaktionen ausgelöst hatte – weder vor meiner Bekanntschaft mit David noch danach.
Er war höflich und sehr zuvorkommend Frauen gegenüber. Manchmal war er ausnehmend charmant. Henriette machte er Komplimente, wenn er auf einen Sprung in die Firma kam. Mona brachte er sogar Blumen mit. Er hätte gut bei Frauen ankommen müssen. Merkwürdigerweise schien ihn das gar nicht zu interessieren. Auch schien er Frauen trotz seines Charmes nicht anzuziehen. Mona stieß er sogar ab. Hätte es diese häufigen Streits um Perlensamt zwischen uns nicht gegeben, hätte ich jetzt kaum einen Anhaltspunkt dafür, wie ich ihn damals sah.
»Was findest du bloß an ihm?«
Ich weigerte mich, diese Frage zu beantworten, jedenfalls ihr gegenüber und laut. Ich war während des Studiums hier und da mit Kommilitonen etwas trinken gegangen, und natürlich sprach ich von ihnen als Freunde. Aber die meisten Zeit meines Lebens war ich allein gewesen. Männer sind da anders als Frauen. Sie brauchen nicht diese permanente Gluckerei, dieses Nasenzusammenstecken und Haste-nicht-gehört. Ich hatte mir nie Gedanken um mein Alleinsein gemacht. Nie etwas vermißt. Erst David hatte mich darauf gebracht, daß man auch gemeinsam etwas unternehmen konnte. Er schien geradezu besessen davon. Aber David war schnell und von vielem besessen. Er hatte immense Energie und schleifte mich mit. Vermutlich dachte ich von ihm inzwischen als Freund, da es mir unangenehm war, wie Mona über ihn herzog. Aber ich verteidigte ihn nicht.
»Er ist so exaltiert. So exzentrisch, und dabei hat er etwas Unheimliches, als hätte er jemandem seinen Schatten geklaut. Etwas stimmt mit dem Typen nicht. Vielleicht rennst du ihm deswegen hinterher. Er ist undurchsichtig. Für Martin Saunders’ Liebe zum Geheimnis eine echte Herausforderung. Paß auf, daß du dir an dem nicht die Flügel versengst.«
Zu dieser Zeit arbeiteten Mona und ich gut zusammen. Wir gingen uns noch nicht aus dem Weg. Abgesehen davon lagen mir Vertrautheiten nicht. Wenn ich den Eindruck hatte, auf eine Frau anziehend zu wirken, versuchte ich, die Spannung aus der Situation zu nehmen. Vielleicht mochte ich Mona, weil sie nie auf die Idee kam, sich in mein Privatleben zu bohren. Wir waren beide meist guter Laune, von meinen gelegentlichen Stimmungsschüben einmal abgesehen, vermutlich ein Stoffwechselproblem, das ich gelegentlich überprüfen lassen muß. Mona und ich waren uns in unseren Vorlieben und Abneigungen ähnlich. Mit Ausnahme von David.
Der Sommer ging zu Ende, und ich hatte die Recherche um den Courbet mit Absicht aus den Augen verloren, da das Monas Angelegenheit war. Ich hatte ihr von Davids Bild erzählt, dem verblüffenden Umstand, daß allein in Berlin mehrere dieser Bilder zu Hause waren, aber ob es da einen Zusammenhang gab, mußte sie selbst überprüfen. Ich war mit meinem Schmuck beschäftigt.
Auf meinem Schreibtisch türmte sich das übliche Zeug, ausgedruckte Mails, Fotos von angebotenen Juwelen, aufgeschlagene Bücher, dazwischen eine Notiz von Mona: Bin nach ei nem Auswärtstermin mit A. in der Viktoria Bar. Bis morgen, M.
Nachdem ich die Legenden für den nächsten Katalog zusammengetragen hatte, fragte ich die Mails des Nachmittags ab. In dem Augenblick, als der Piepton erklang, ging die Tür auf. Mona stand im Rahmen.
»Was Neues?«
»Nicht mit A. in der Viktoria Bar?«
»… war schon abgereist, zurück nach Chicago.«
»Wahrscheinlich hast du ihn nicht gut behandelt. Männer sind auch Säugetiere.«
»Das sagst du so. Ich habe nie einen Mann ein lebendes Junges zur Welt bringen sehen. Es war übrigens eine Frau.«
»Zumindest haben sie ein Gesicht. Seit wann machst du’s mit Frauen? Ich dachte, du bist auf Ehe und Kinder aus.«
»Ich mache es mit niemandem. Ich suche ausschließlich reizende Gesellschaft. Wenn ich genug davon habe, bereite ich mich auf mein Noviziat vor. Ich finde den Gedanken an Ehe ekelhaft. Es ist nicht normal.«
»Bitte?«
»Ich sagte, es ist nicht normal.«
»Ja, das habe ich verstanden, aber …«
»Nimm es hin. Was Neues? hatte ich gefragt.«
Ich hatte Mona keine Details von
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