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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
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TÉchèquier – einer vollkommen anderen, aber um nichts feineren Gegend der nördlichen Mitte von Paris – meldet sich der Empfänger der Abfindung noch einmal. Der Brief klingt bedürftig, geradezu unterwürfig. Gleichzeitig ist er eine Erpressung. Patrique Melcher droht, alles auffliegen zu lassen. Er verlangt die gleiche Summe noch einmal. Eine weitere Spur als diesen zweiten Brief hinterläßt er in den Unterlagen nicht. Ich wühlte in dem Durcheinander aus Aktennotizen, losen Zetteln, Briefen und Urkunden vor mir auf dem Bett, als das Fernsehprogramm, das bisher nicht mehr als ein Grundrauschen war, mich durch ein Reizwort aus Paris zurück nach Berlin zerrte.
    »Raubkunst, meine Damen und Herren, ist in erster Linie etwas, mit dem sich heute die Kunsthistoriker beschäftigen. Die meisten von uns wissen nicht einmal genau, was man darunter versteht. Haben Sie sich einmal Gedanken darüber gemacht, wem eigentlich das Bild gehört, das Sie gerade im Museum betrachten? Sicher gingen Sie, wie ich, immer davon aus, daß das Bild dem Museum gehört. So ist es längst nicht immer. Tausende von Bildern haben seit der Nazi-Zeit in europäischen Museen eine Zwischenstation gefunden. Sie warten darauf, von ihren ehemaligen, oft jüdischen Eigentümern oder deren Nachkommen reklamiert zu werden. Aber es gibt auch die umgekehrte Situation. Eine Privatsammlung, die keiner kennt und deren Herkunft dunkel ist. Sie sehen jetzt einen Bericht über einige Bilder, die bis vor kurzer Zeit als verschollen galten …«
    Eingeblendet wurde als erstes La Vague. Es folgte Vodalisque von Matisse und der Degas, der ebenfalls einen unübersehbaren Platz in Perlensamts Petersburger Hängung eingenommen hatte. Namen wurden nicht genannt. Kein Verdacht geäußert, nur erwähnt, daß die Bilder sich in deutschem Besitz befänden und der derzeitige Eigentümer nach den Personen forsche, denen sie einmal gehört haben mochten. Ich starrte immer noch auf den Bildschirm, als der Beitrag längst abgeschlossen war. David hatte, kaum genesen, etwas in Gang gesetzt.
    Nichts von den Unterlagen in der Mappe dokumentiert die Sammlung. Keine Expertise, kein Papier zu einem einzigen Bild, kein Hinweis auf ihre Herkunft. Ich nehme noch einmal Edwiges Notiz zur Hand. Sie lesen, lieber Herr Saunders, daß Davids Gefühle in all den Jahren schwanken, daß er sich sehr bemüht, seine Eltern zu lieben, gerade in den frühen Jahren … Es wird deutlich, daß er nicht begreifen kann, warum sie ihn von sich fern halten. Ich hatte versucht, ihm zu erklären, daß das Verhältnis seiner Mutter zu ihm durch die schwere Geburt und ihre anschließende Nervosität gestört wurde. Ich weiß nicht, was Miriam ihm suggerierte. Aber selbst wenn sie die beste Absicht hatte – sie war nun einmal eine kalte, egozentrische Person. In den Briefen aus seiner Pubertät an mich kommt Davids verzweifeltes Ringen zum Ausdruck. Irgendwann begann sich dann in ihm die Überzeugung festzufressen, daß seine Eltern schuldig seien. David neigt zur Übertreibung. Er neigt dazu, sich Geltung verschaffen zu wollen. Er war immer sehr allein. Ich dachte, Sie als sein Freund könnten das Schlimmste verhindern. Sie schrieb nicht, was sie damit meinte. Ich muß ihr die Briefe zurückgeben, jetzt, da David und ich keinen Kontakt mehr haben und ich ihm nicht mehr helfen kann.
    In meine Grübelei hinein sagt Madame, ich solle bitte ein Gespräch entgegennehmen. Die Dame ließe sich nicht abwimmeln. Als ich endlich begreife und den Hörer nehme, ist es Mona.
    »Ich muß mit dir reden, Martini. Ich fürchte, daß die Geschichte weiter geht, durch die Zeitungen, und dieser Typ hat vor, damit in die Talkshows zu gehen.«
    »Von wem redest du?«
    »Von Perlensamt, wem sonst.«
    »Seit wann nennst du ihn wieder ›dieser Typ‹?«
    »Ach, du verstehst gar nichts. Ich habe einen Fehler gemacht. Ich will es dir erklären. Aber nicht am Telephon. Ich würde gerne kommen. Bitte, Martin, rede mit mir.«
    »Auf einmal? Warum jetzt? Warum nicht vorher?«
    »Weil ich sauer auf dich war. Du hast dich so aufgeplustert. Warst so unerbittlich. So arrogant.«
    »Fängst du schon wieder an.«
    »Nein, Martini, tue ich nicht. Ich will dir doch nur was erklären.«
    Sie bettelt. Sie fleht. Ich kenne sie so nicht. Früher war sie anders. Schien nie durch einen äußeren Einfluß gestört. Bis David kam.
    »Martini, sag etwas.«
    Ich sage nichts. Ich lege auf.
    In der Mappe fand ich die Geburtsurkunde, die Alfred

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