Perlensamt
Perlensamts Asche wurde in Abwesenheit seines Sohnes beigesetzt. Nach der traurigen Zeremonie, bei der eine Abordnung der Firma Perlensamt, Mona, die Haushälterin Frau Arno sowie einige wenige Reporter zugegen waren, ging jeder seiner Wege. Edwige war nicht gekommen.
Den Weg vom Friedhof zum Büro legte ich allein zurück. Mona wollte zu David. In mir rumorten immer noch dieselben Fragen. Ich würde sie nicht los, so lange ich in dieser Stadt war. Wann waren die Bilder nach Deutschland geschmuggelt worden? Hatten die Schweizer geholfen mit einem neutralen Transport? Eine Beiladung bei einem befreundeten Diplomaten aus der Schweiz? So etwas hatte es gegeben. Warum lag mir so an der Wahrheit? Hatte Mona etwa recht mit ihrer Behauptung, meine Schnüffelei im deutschen Sumpf hätte mehr mit mir zu tun, als ich wissen wollte? Ich war noch am Abend des Streits mit Mona bei David vorbeigefahren. Mir war übel vor Aufregung, als ich vor dem schmiedeeisernen Gitter stand. Ich sah die Häuserfront hinauf und erkannte das Fenster von Davids Schlafzimmer. Ich klingelte. Natürlich klingelte ich. Es wäre mir unverschämt vorgekommen, den Schlüssel zu benutzen. Wußte David überhaupt, daß ich einen hatte? Mona kam herunter und öffnete mir. Sie sagte kein Wort von dem Schlüssel. Sie war immer noch böse, versuchte aber, sich zu beherrschen.
»Er wartet auf dich. Er freut sich. Du solltest nicht zu lange bleiben.«
Ich verbot mir jede Bemerkung.
»David ist vorne, in seinem Zimmer. Ich gehe vor.«
»Ich bin nur gekommen, um zu holen, was ich vergessen habe.«
David sah immer noch ausgezehrt aus. Seine Augen glänzten, als hätte er Belladonna genommen. Er lächelte mich an. Kumulierende Wolken, darunter graublaues Wasser mit brechenden Wellen, die gegen den Sand schoben, sanft den Boden leckten, um ihre Scheinfüße gleich wieder zurückzuziehen. Steigende Tide. Courbet hatte gerade den Himmel gemalt, nun hielt er offenen Auges den Atem an. In kürzester Zeit würde Die Woge anschwellen, bis sie wie ein Schaumpferd vor ihm stünde. Diesen Augenblick mußte er erwischen. Ich sah das Aufbäumen der Welle, sie stieg und stieg. Dann platzte die Gischt. Das Bild vom Meer war der Anfang der Sammlung. So hatte David es gemeint. Das erste Bild, das sein Großvater sich unrechtmäßig angeeignet hatte. David wußte weit mehr, als er zu sagen bereit war. Er hielt mich zum Narren. Auch jetzt.
»Wie schön, daß du gekommen bist.«
Ich hatte einen Kloß im Hals.
»Kannst du ein bißchen bleiben?«
»Mona sagt, es würde dich zu sehr anstrengen.«
»Was habe ich dir getan, Martin?«
Er tat so, als hätte er den Abend in Ahlbeck vergessen. Es war absurd, daß David sich ausgerechnet die Fürsorge von Mona gefallen ließ. Oder spielte er etwa auch mit ihr? Ich hatte eine bissige Bemerkung auf der Zunge, wollte mich aber nicht verraten. Ich würde aus der Stadt verschwinden und – vergessen.
»Nichts. Natürlich nichts. Sag mir, wenn du etwas brauchst.«
Beim Abschied erwähnte ich, ich hätte beim letzten Mal mein Jackett in der Bibliothek vergessen. Weder David noch Mona hörten zu. Mona war damit beschäftigt, die Kissen aufzuschütteln und unterhielt sich währenddessen mit ihm. Ich ging allein durch die Halle. Kurz war ich versucht, noch einmal in den hinteren Korridor zu gehen und einen Blick in das Depot zu werfen. Es wäre die Gelegenheit, es Mona zu zeigen. Aber Mona schien jetzt mit David gemeinsame Sache zu machen. Sie war nicht mehr neutral. Es war besser, die Sache für mich zu behalten. Aufgeregt, ob die Mappe sich noch an ihrem Platz befinden würde, öffnete ich die Tür zur Bibliothek. Da lag sie, mitten auf dem Schreibtisch. Unberührt. Ich wollte sie gerade an mich nehmen, da hörte ich Schritte im Gang. Wohin mit dem Ding? Als Mona im Rahmen stand, presste ich die Mappe an mich. Ich tat so, als liefe ich immer damit herum.
»Hast du dein Jackett gefunden?«
Sie spielte ein bißchen die Herrin des Hauses.
»Seit wann schleppst du eine Mappe mit dir herum? Du hast doch eben keine gehabt.«
Ich versuchte, überzeugend zu grinsen. »Ich dachte, ich hätte das Jackett zusammen mit ihr hier liegen lassen. Ich habe mich vertan. Das Jackett muß woanders sein.«
»Du bist auch etwas durcheinander. Na ja, wen wundert’s. Uns alle strengt das an. Hast du die Wohnungsschlüssel dabei und die anderen Sachen, die man dir von Davids Vater ausgehändigt hat?«
»Ich bringe sie das nächste Mal mit.«
»Du kannst
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