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Perlentöchter

Perlentöchter

Titel: Perlentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Corry
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sorgfältig zudeckte, auch wenn sie in der Anfangsphase noch nicht viel mehr tun durften. Es machte ihr nicht einmal etwas aus, die Bettpfannen zu leeren. Schließlich war ihr nach Borneo nichts zu primitiv. Und sie entdeckte außerdem zu ihrer eigenen Überraschung, dass sie eine natürliche Begabung dafür hatte, die Patienten zum Lachen zu bringen.
    »Warum sind Sie nach England zurückgekehrt, Herzchen?«, fragte ein älterer Herr, der wegen seiner Gallensteine behandelt wurde, nachdem sie ihm erklärt hatte, dass sie auf Borneo aufgewachsen sei.
    »Vaters Gummi ist kaputtgegangen«, antwortete sie und vergaß dabei, das Wort »Geschäft« an »Gummi« hinzuzufügen. Lautes Gelächter schallte durch die Station, und Helen, die nicht begriff, was sie so Komisches gesagt hatte, wurde schließlich von dem älteren Herrn in lautem Ton aufgeklärt, dass in seinem Umfeld »Gummi« eine Vorrichtung bezeichne, die verhindern sollte, dass eine Frau schwanger wurde, und nein, es habe nichts mit Bridge zu tun.
    Das Zweite, was Helen bewusst wurde, war, dass ihre neue Freundin Maggy viel erfahrener war als sie. Das lag nicht nur daran, dass sie von ihrem Vater dazu erzogen worden war, indem sie einige Jahre die »Dame des Hauses« und Gastgeberin gab, die die Haushälterin beaufsichtigte und dafür sorgte, dass alles rund lief. Aber das beschränkte sich auf die Ferien. Maggy hatte nämlich außerdem eine fortschrittliche Schule in Devon besucht, die ihre Schülerinnen dazu ermutigte, ihre Meinung zu äußern. Kein Wunder, dass Maggy entsetzt auf manche der Geschichten reagierte, die Helen ihr erzählte, vor allem jene, als Tante Phoebe ihre Zeichnungen konfisziert hatte. Maggy bestand darauf, dass Helen ihre »Mappe« zeigte, wie sie ihre Skizzensammlung nannte, die Helen im Internat angefertigt und irgendwie in ihren Koffer gequetscht hatte.
    »Die sind großartig, Hellie. Du musst unbedingt weitermalen.«
    Letzten Endes blieb sehr wenig Zeit zum Malen, ganz zu schweigen von der Abendschule, die Miss Diamond ihr mit glühenden Worten empfohlen hatte. Sie mussten oft abends noch lernen, und wenn sie nicht über ihren Büchern saßen, gingen sie aus und feierten. Maggy bestand darauf, ihre Garderobe mit Helen zu teilen, aber in Wahrheit war das Einzige, in dem Helen sich wohl fühlte, ein blau-beige gestreiftes Kleid, das weniger verspielt war als das rubinrote und nicht so tief ausgeschnitten wie die anderen.
    Das Dritte, was Helen herausfand, war, dass von ihr erwartet wurde, in den Ferien zu Tante Phoebe zurückzukehren. »Du kannst auch gern mit zu mir kommen«, sagte Maggy. »Pops würde das sicher gefallen. Er hat es gern, wenn ich meine Freundinnen mitbringe.«
    Aber Onkel Victor hatte bereits mit ihr vereinbart, dass er sie am Bahnhof abholte. Während der Fahrt zum Gutshaus kam Helen zu spät die Erkenntnis, dass sie die falsche Entscheidung getroffen hatte. Das erste Weihnachtfest nach London war unerträglich langweilig, und statt zu lesen, wie Helen das sonst tat, oder ihre Farben hervorzuholen, ertappte sie sich dabei, dass sie die Tage zählte bis zu ihrer Rückkehr im Januar.
    Eines Morgens jedoch, als sie das Frühstückszimmer betrat, sah sie, dass ihre Tante sich über die Schulter ihres Onkels beugte. Das war an sich nichts Ungewöhnliches – Helen fand es immer rührend, die zwei miteinander zu beobachten. Victors Anwesenheit ließ Phoebe manchmal fast umgänglich werden.
    »Dann ist er also tot«, murmelte Phoebe mit Blick auf die Todesanzeigen.
    Victor faltete die Zeitung ordentlich zusammen und legte sie auf den Beistelltisch. »Es scheint so. Der arme Mann.«
    Helen griff neugierig nach der Zeitung. Unter den Todesanzeigen war das Bild eines sehr attraktiven Mannes mit der Überschrift »Dr. Edward Whittaker«.
    »Wer ist das?«, fragte sie.
    Es entstand ein Schweigen, das Onkel Victor mit einem leisen Hüsteln unterbrach, bevor er sich anschickte, den Raum zu verlassen.
    »Ein Freund deiner Mutter«, antwortete Tante Phoebe laut. Helen sah, dass ihr Onkel sich in der Tür umwandte und eine Augenbraue hochzog.
    »Du darfst niemals«, sagte ihre Tante in entschiedenem Ton, »jemanden heiraten, den du nicht liebst, Helen. Warte, bis dir der Richtige begegnet, und glaube mir, er wird kommen. Ich habe auf Victor gewartet, und ich habe es keinen einzigen Moment bereut.«
    Helen wollte kaum ihren Ohren trauen. War das ihre Tante, die da redete? Ihre kalte Tante, die diesen Ton normalerweise anschlug, um

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