Perlentöchter
Ich kümmere mich darum.«
Die Unterhaltung kreiste immer noch in Helens Kopf, als sie und Maggy auf der Party eintrafen. Dieses Mal fand sie nicht in einer Kellerwohnung in Earls Court oder Kensington statt, sondern in einem recht schicken Club nahe dem Hyde Park. Sie waren mit dem Taxi gefahren, was Helen bisher nur von den seltenen Gelegenheiten kannte, wenn sie mit Tante Phoebe in London gewesen war, aber mit Maggy, die anscheinend über einen grenzenlosen »Unterhalt« verfügte, war es, wie in einen Bus zu springen.
»Ach, übrigens, Hellie«, sagte Maggy beim Aussteigen, während sie dem Fahrer Trinkgeld gab. »Du weißt ja, was NSIT bedeutet, oder?«
Helen schüttelte den Kopf.
»Nicht Sicher Im Taxi.« Maggy lachte schallend und entblößte wieder einmal die kleine Lücke zwischen ihren Schneidezähnen, die sie selbst nicht im Geringsten zu stören schien und die ihr noch mehr Charme verlieh. »Sei also vorsichtig, wenn du mit einem Kerl hinten in ein Taxi einsteigst und er anfängt, dich zu befummeln. Das bedeutet, er ist NSIT . Ein Gentleman wartet damit, bis er dich nach Hause gebracht hat.«
Helen beeilte sich, um mit ihr Schritt zu halten, während sie sich dem Eingang näherten. »Hellie, ich sehe, dass in nächster Zeit jede Menge Arbeit auf mich wartet, um dich aufzuklären. Wow. Schau dich mal um. Ist das nicht hübsch hier?«
Allerdings! Der Royal Air Force Club, in dem die Feier stattfand, war wie ein riesiger Weihnachtsbaum von innen beleuchtet. Nachdem sie jahrelang gezwungen gewesen waren, die Lichter zu löschen und die Fenster zu verdunkeln, war die Festbeleuchtung in der Tat ein großartiger Anblick. Helen spürte ein Kribbeln vor Aufregung, während sie das blau-weiße Abendkleid glattstrich, das Maggy ihr unbedingt hatte schenken müssen. Ihre Freundin hatte recht. Wenn man sich nicht amüsieren ging, nun, da man volljährig war, wann dann? Außerdem standen sie am Beginn einer neuen Dekade. Es war Zeit für Veränderungen. Höchste Zeit, erwachsen zu werden und die Vergangenheit hinter sich zu lassen.
An jenem Abend wurde Helen zu einem anderen Menschen. Sie beeindruckte einige der jungen Männer, die die beiden Mädchen in ihren Kreis aufgenommen hatten, mit lustigen Sprüchen. Maggy knutschte bereits in einer dunklen Ecke mit einem Kerl, der vielleicht Gareth war oder auch nicht, schwer zu sagen, und dann wurde Helen von einem aus der Runde, der ihr ein Getränk ausgegeben hatte, zum Tanzen aufgefordert.
Sie fand ihn recht nett, aber er bestand den »Prickeltest« nicht. Das war wieder etwas, was Maggy ihr erklärt hatte. Man ließ sich nicht näher auf einen Mann ein, wenn das Prickeln ausblieb, und scheinbar konnte der Mann sogar ungemein attraktiv und charmant und witzig und geistreich sein, ohne einem dieses Kribbeln im Bauch zu verursachen. »Die Chemie«, hatte Maggy ihr feierlich erklärt, »ist eine sehr seltsame Sache. Das hat nicht das Geringste mit Schwefel zu tun.«
Und plötzlich entdeckte Helen jemanden an der Bar, der ihr so vertraut war, dass ihr Herz einen Salto schlug. Was machte er hier? Warum hatte er ihr nichts gesagt?
»Roger?«, rief sie laut und lief auf die große Gestalt im Smoking zu, die mit der unverkennbar geraden Haltung auf einem Barhocker saß. Der Mann wandte sich mit überraschtem Gesicht zu ihr um, und Helen erkannte erst jetzt, dass er zwar von hinten aussah wie ihr Bruder und auch eine ähnliche Nase hatte, es aber nicht war.
»Verzeihung.« Sie errötete tief vor Verwirrung und Verlegenheit. »Ich dachte, Sie wären mein Bruder. Das heißt, mein älterer Bruder. Der Ältere von den beiden älteren. Verstehen Sie, ich habe drei Brüder, zwei ältere und einen jüngeren.«
Da ihr mit Schrecken bewusst wurde, dass sie brabbelte, wandte sie sich zum Gehen, aber der Mann berührte ihren Arm. Daraufhin durchzuckte es sie wie ein elektrischer Schlag. Verwirrt blickte sie auf ihren Arm, um zu sehen, ob sie sich verbrannt hatte, aber da war nur seine Hand, die darauf ruhte. »Bitte, gehen Sie nicht.« Er hatte ein süßes Lächeln, und seine dunkelbraunen Augen musterten ihr Gesicht, als würde er dort etwas Bestimmtes wahrnehmen. Vielleicht hatte sie noch Essensreste im Gesicht. Das wäre nicht das erste Mal! Aber sie konnte jetzt wohl kaum ihren Taschenspiegel herausholen, um nachzusehen. »Darf ich Ihnen einen Drink ausgeben?«
Sie geriet ins Stottern, als sie antwortete. »Ich hatte bereits ein Glas, danke.«
Er wirkte leicht amüsiert.
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