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Perlentöchter

Perlentöchter

Titel: Perlentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Corry
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sie zu tadeln, weil sie einen Topf nicht richtig abgetrocknet hatte?
    »Woran ist er gestorben?«, fragte sie neugierig.
    »Sein Herz.« Ihre Tante blickte zum Fenster hinaus auf den Rasen, der von einer dünnen Eisschicht bedeckt war. »Er hatte ein schwaches Herz. Es ist gebrochen.«
    Gebrochen? Meinte ihre Tante damit, dass der arme Mann einen Herzinfarkt hatte? Dann, fast genauso plötzlich, schien Phoebe aus ihrem Tagtraum wieder aufzuwachen. »Gut, Helen. Wir können nicht den ganzen Tag Däumchen drehen. Gehst du mir beim Abwasch zur Hand oder nicht?«
    In der darauffolgenden Woche entschuldigte Helen sich und kehrte früher als geplant nach London zurück. Maggy hatte dasselbe getan. Ihr Vater war weggefahren, weshalb sie ebenfalls bereits auf dem Rückweg war. Außerdem fand am Abend eine Feier statt.
    Und auf einer Feier wie dieser sollte sie Clive Mitchell kennenlernen.

32
    Tatsächlich dauerte es noch mehrere Monate, bis es dazu kam. Das folgende Jahr war ein Wirrwarr aus Partys und intensiven Lernphasen und einem Hin und Her auf den Stationen. Während Helen Patienten wusch, ankleidete und versorgte, sodass am Ende des Tages ihre Füße in den vernünftigen schwarzen Schnürschuhen unerträglich schmerzten, verschaffte ihr der Alltag aber zugleich ein Gefühl der Befriedigung.
    Sie liebte ihre Arbeit! Aber gleichzeitig machte es ihr großen Spaß herumzuflirten, wie Maggy es nannte. Helens Brüder waren, ohne dass es ihnen bewusst war, eine gute Übung für Helen gewesen. Sie war nicht schüchtern gegenüber Männern, wenn klar war, dass es keine Anziehungskraft zwischen ihnen und ihr gab. Im Gegensatz zu vielen Mädchen, die albernerweise automatisch rot wurden, wenn sie vom anderen Geschlecht angesprochen wurden, sah Helen in den Männern nicht unmittelbar ihren zukünftigen Verlobten. Stattdessen konnte sie ungezwungen mit ihnen herumschäkern und ihnen nach Möglichkeit Paroli bieten. Damit machte sie sich sehr beliebt bei den Jungs, die es manchmal leid waren, immer als potenzielle Heiratskandidaten betrachtet zu werden.
    Trotzdem fragte Helen sich, ob jemals der Richtige auftauchen würde in ihrem Leben. Möglicherweise, dachte sie, würde nie einer um ihre Hand anhalten, und dann würde sie ihr Leben damit verbringen müssen, andere Menschen zu pflegen. Das wäre im Grunde gar nicht so schlimm, würde sie sich nicht Kinder wünschen. Dies war ein tief sitzendes Bedürfnis, dessen sie sich erst bewusst geworden war, als sie ihre Ausbildung begann und ein paar Schwesternschülerinnen kennenlernte, die sich nach dem Examen zur Hebamme fortbildeten. »Du ahnst ja nicht, wie großartig es ist, Babys auf die Welt zu holen«, hatte eine von ihnen geschwärmt. Die unüberhörbare Begeisterung in ihrer Stimme hatte Helen angesteckt und in ihr den Entschluss reifen lassen, denselben Weg einzuschlagen.
    Vielleicht würde sie einfach anderen Frauen helfen müssen, ihre Kinder zur Welt zu bringen, wenn keiner mit ihr Kinder haben wollte. Natürlich wäre das im Moment auch gar nicht ratsam. Maggy fragte sie in letzter Zeit immer, ob sie an ihr Diaphragma gedacht habe. Helen war sich nicht sicher, was sie darauf antworten sollte. Natürlich wusste sie, was ein Diaphragma war. Nämlich der Bereich unter ihrem Brustkorb, der für die Atmung zuständig war. Wenn man ihn lange genug einzog, bewirkte er wahre Wunder für die Figur – Helen hatte es vor dem kleinen Spiegel in dem schlichten Bad am Ende des Flurs, das sie sich mit drei anderen Mädchen teilte, ein paarmal ausprobiert.
    Der Spiegel war in der Tat so etwas wie eine kleine Offenbarung. Im Internat hatte es gerade einmal einen Spiegel für den ganzen Schlafsaal gegeben, und in Tante Phoebes Haus waren sie auch nicht gerade willkommen, abgesehen von dem großen, silbernen, fleckigen Exemplar über der Frisierkommode in Phoebes Schlafzimmer und dem goldgerahmten Garderobenspiegel in der Eingangshalle, auf dem ein Adlerkopf thronte. Als ihre Tante sie einmal davor ertappte, war Helen prompt dafür getadelt worden, weil der Spiegel nicht dazu diente, »sich selbst zu bewundern, sondern lediglich um sicherzugehen, dass der Hut nicht schief auf dem Kopf sitzt«.
    Als Maggy an dem Abend, an dem Helen Clive Mitchell begegnen würde, wieder einmal von dem Diaphragma anfing, holte Helen tief Luft und versuchte, so gerade wie möglich zu stehen. Auch das half, wie der Spiegel im Schwesternwohnheim ihr verriet, anmutiger zu wirken.
    »Was um alles in der Welt

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