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Perlentöchter

Perlentöchter

Titel: Perlentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Corry
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schreckte sie panisch aus dem Schlaf hoch. Das war eindeutig Caroline! Hastig eilte sie nach oben, nur um dort ihre Schwiegermutter anzutreffen, die das Kind in einem Umhängetuch trug, während sie langsam auf und ab ging. »Sie musste getröstet werden«, sagte Sandra, als wäre es Helens Schuld, weil sie nicht früher zur Stelle gewesen war.
    Sandra bot an, sich nachts um die Kleine zu kümmern, wenn Helen wieder im Krankenhaus arbeitete. Es gab keinen Zweifel: Sie kam nicht darum herum. Bobs kleines Gehalt reichte einfach nicht, um die Rechnungen zu bezahlen. Darum, trotz Maggys mehrfachem Angebot, »Pops zu fragen, ob er aushilft«, und trotz der missbilligenden Kommentare von Tante Phoebe darüber, dass eine Mutter zu Hause bei ihren Kindern bleiben sollte, kontaktierte Helen das Krankenhaus und sicherte sich vier Nachtschichten pro Woche in der Geriatrie.
    Es war anstrengend – nicht so sehr wegen der Arbeit, sondern weil sie nach der Nachtschicht die kleine Caroline füttern und den ganzen Tag beschäftigen musste. Aber es sah ihr nicht ähnlich zu klagen. Sie genoss es sogar, abends an der Bushaltestelle am Ende der Straße zu warten, um zum Krankenhaus zu fahren und am nächsten Morgen mit dem Frühbus zurückzukehren. Anschließend marschierte sie die steile Straße hoch und legte sich für ein Stündchen ins Bett, bevor Sandra zur Arbeit aufbrach und sie allein für Caroline verantwortlich war. Mittlerweile waren Carolines Haare eher rötlich als blond: ein Rotstich, der Helen an ihre Mutter auf dem Porträt bei Tante Phoebe erinnerte. Diese Erkenntnis war schmerzhaft und tröstend zugleich.
    An den Wochenenden, wenn Bob zu Hause war, machten sie Familienausflüge. Helens Lieblingsziel war ein Ort namens Old Reading, der ein paar Meilen außerhalb der Stadt lag und zum Grüngürtel-Programm der Regierung gehörte, das dazu diente, bestimmte Flächen von einer Bebauung freizuhalten. Caroline konnte inzwischen bereits laufen. Sie liebte es, durch den Wald zu watscheln, und quietschte jedes Mal begeistert beim Geräusch eines Vogels oder eines knackenden Zweigs.
    »Sie ist ein so aufmerksames Kind!«, schwärmte Maggy, die fast so viel Freude an ihrer Patentochter hatte wie die Mutter selbst und so oft wie möglich zu Besuch kam, immer beladen mit Geschenken für Caroline. Mittlerweile arbeitete sie in einer Klinik in Wolverhampton und hatte sich einen kleinen Sportwagen gekauft, mit dem sie durch die Gegend düste, alle paar Monate mit einem anderen Mann an ihrer Seite.
    »Ich weiß!« Sie gingen hinter Bob und Sandra, die sie immer zu begleiten schienen, wenn sie das Haus verließen. »Letzte Woche habe ich sie zu Tante Phoebe mitgenommen, und Caroline war ganz fasziniert von ihren Perlen. Sie hat so fest daran gezogen, dass fast die Kette gerissen wäre, was natürlich nicht gut ankam, wie du dir vorstellen kannst.«
    Maggy stieß ein kehliges Lachen aus. »Sieh nur, wie sie ihren kleinen Kopf dreht und alles genau registriert. Sie ist das, was mein Vater ›eine alte Seele‹ nennt.«
    Sandra warf bei dem Wort »alte« einen scharfen Blick nach hinten, und die jungen Frauen mussten ein Kichern unterdrücken. »Sie hat eine Paranoia vor dem Altwerden«, flüsterte Helen.
    »Nun, sie war noch ziemlich jung, als sie Witwe wurde, oder? Vierzig, nicht wahr?«
    »Ja, aber alt genug, um ihre Macken zu pflegen«, erwiderte Helen grimmig. »Ich brauche nur kurz in die Küche zu gehen, und sie zählt hinterher sofort ihre Dosen, um sich zu vergewissern, dass ich mich nicht von ihrem Vorrat bedient habe. Außerdem hatten wir letzte Woche fürchterlich Krach wegen der Gasrechnung. Sie besteht darauf, dass wir den Löwenanteil übernehmen, weil wir nach ihrer Einschätzung mehr verbrauchen als sie.«
    »Au weia.« Maggy zündete sich die nächste Zigarette an. »Und was hat Bob dazu gesagt?«
    »Nicht viel. Er mag keinen Streit.«
    »Aber ihr seid doch einigermaßen glücklich miteinander, oder?«
    Helen musste an gestern Abend denken, als Bob ihr im Bett wieder einmal den Rücken zugekehrt hatte, da er es »im Kreuz« hatte vom Fahren. Aber es gab auch Zeiten, in denen Helen das Gefühl hatte, dass ihre aufgeschlossene Art und sein stilles Wesen sich ergänzten. Sie liebten es, abends gemeinsam zu lesen, und erst neulich am Samstag hatten sie zusammen ein Hörspiel im Radio angehört, während sie händchenhaltend auf der Couch saßen. Danach hatte sie Abendessen gekocht, und er hatte sie für ihren Milchreis

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