Perlentöchter
Frau waren damals aus dem Militärdienst ausgeschieden und lebten nun in Surrey, wo das Pfund Sterling mehr wert war als in den teuren Vororten von London. Hin und wieder redeten Helen und Bob darüber, aus Ealing in eine billigere Stadt wegzuziehen, aber Caroline war glücklich auf ihrer Schule, die außerdem einen hervorragenden Ruf hatte. Ob sie es sich leisten konnten, Grace nach der Grundschule auch dorthin zu schicken, stand allerdings auf einem anderen Blatt. Das war nur möglich, wenn Helen wieder richtig arbeiten ging.
Unterdessen kam Sandra in ihrem Haus am anderen Ende der Straße besser zurecht, als Helen befürchtet hatte. Ihre Schwiegermutter hatte inzwischen Untermieter aufgenommen, und Caroline, Gott schütze sie, besuchte sie fast täglich. »Es ist sehr anständig von dir, dass du das Kind nicht gegen sie aufhetzt«, hatte Geoffrey bemerkt, worauf Helen nur mit einem Achselzucken antwortete. Die Familie war viel zu wichtig, um sich zu streiten. Da Bob und sie nur wenige Angehörige hatten, war ihnen das deutlich bewusst.
Außerdem hatte Helen sich mit einem netten, alten Ehepaar aus der Nachbarschaft angefreundet, dessen Enkelkinder in Amerika lebten, wodurch es diese nur selten zu Gesicht bekam. Die beiden freuten sich immer sehr, wenn sie auf eine Tasse Tee vorbeischaute und die Mädchen mitbrachte, und Caroline blieb schon einmal länger, um in der Küche mit Maude und Arthur, die aus ähnlichen Verhältnissen stammten wie Helen, Karamellkonfekt zu machen. Sie nahmen großen Anteil an Helens Geschichte. Tatsächlich war es Arthur, der die Idee hatte, dass sie sich in der Bank bewerben sollte. Er hatte eine Anzeige in der Zeitung gelesen, wonach dort eine ungelernte Kassiererin gesucht wurde.
Bob war nicht begeistert davon und murmelte Sätze, die alle begannen mit » Meine Frau hat es sicher nicht nötig …«, aber der Zeitpunkt rückte immer näher, an dem Grace auf die höhere Schule wechselte. Sie benötigten einfach mehr Geld, wenn sie auf dieselbe Schule gehen sollte wie Caroline. Erstaunlicherweise bekam Helen die Stelle in der Bank, blieb dort aber nur ein paar Wochen. In der zweiten Woche griff sie, aus einer Langeweile heraus, nach ihrer Handtasche unter dem Bankschalter und entdeckte dabei einen merkwürdigen Hebel. Sie probierte ihn aus, und sofort ertönte ein lauter Heulton, der gellend durch das Gebäude schallte.
»Der Alarm!«, rief jemand, und innerhalb von wenigen Minuten fuhren draußen ein Polizeiwagen und ein Löschfahrzeug vor. In großer Verlegenheit erklärte Helen dem Bankdirektor, was sie getan hatte. Seine Mundwinkel zuckten sogar während ihrer Beichte, aber tatsächlich war es nur ein Grund mehr, der beide in der Überzeugung bestärkte, dass die Bank vielleicht doch nicht das Richtige für sie war.
Und dann entdeckte Helen eine andere Anzeige in der Zeitung. Der Gemeinderat suchte eine Erzieherin – jemanden, der Schulen und Kinder gegen notorisches Schulschwänzen unterstützte. Die Bewerberinnen sollten Erfahrung mit Kindern haben und eine Ausbildung in einem Sozialberuf, zum Beispiel Krankenschwester. Wieder war Bob, der ein derart »steifes Kreuz« hatte, dass er auf zwei Einzelbetten bestand, was Helen bitter aufstieß, vehement dagegen.
»Das ist eine Vollzeitstelle«, argumentierte er. »Wie willst du das in den Ferien machen?«
Caroline sei nun fast achtzehn, konterte sie. Die Diskussionen nahmen immer mehr zu, obwohl Helen wegen der Kinder darauf achtete, dass sie nicht zu laut wurden. Sicher konnte sie nach wie vor ein Auge auf Grace haben, und in den Ferien konnten sie zum Beispiel eine Studentin engagieren, die sich um die Mädchen kümmerte. Beim Zeitungshändler hing ein Stellengesuch von einer Frau, die putzte oder Kinder betreute.
Helens Vorstellungsgespräch war viel härter, als sie erwartet hatte. »Was wissen Sie über das neue Bildungsgesetz?«, fragte der Personalchef, ein phlegmatischer Mann mit einem Schnurrbart.
»Nicht das Geringste«, antwortete sie. »Aber ich weiß, wie man mit Kindern in schwierigen Situationen spricht.« Sie skizzierte kurz ihren Werdegang und führte an, dass sie selbst Mutter sei und zudem ausgebildete Krankenschwester.
Zu ihrem Erstaunen bekam sie die Stelle. »Großartig!«, jubelte Maggy am Telefon. Ihre Freundin war immer noch in den Midlands, hatte sich aber von dem verheirateten Mann getrennt, dem es nicht gelungen war, sich zu einer Scheidung durchzuringen. Inzwischen hatte sie schon wieder einen
Weitere Kostenlose Bücher