Perlentöchter
runzelte die Stirn.
»Was ist das?«
»Dein Collier, meine Liebe. Schon vergessen? Du hast mich gebeten, es zum Juwelier zu bringen, damit er den Sicherheitsverschluss auswechselt.«
Es entstand ein kurzes Schweigen. »Natürlich«, sagte Phoebe dann knapp. »Danke.«
Es folgte keine Entschuldigung, und kurze Zeit später verabschiedete Helen sich und fuhr mit einer aufgebrachten Grace nach Hause.
»Warum hast du der alten Schachtel nicht die Meinung gesagt? Ich hätte mir das nicht gefallen lassen! Es ist erschreckend, wie sie dich behandelt. Du warst praktisch eine Tochter für sie, und trotzdem hat sie nichts für uns übrig …«
Hätte sie sich ärgern sollen?, fragte sich Helen. Sie hatte sich im Laufe der Jahre so sehr an Phoebes Eigenheiten gewöhnt, dass sie sich schon lange mit ihrer selbstgerechten Art abgefunden hatte, die mit den Jahren immer schlimmer wurde, weil sie jeden auf der Welt für dümmer hielt als sich selbst.
Als sie zu Hause ankamen, war Bob noch nicht da. In der Wohnung war es sehr still ohne Caroline, der das Studieren offenbar großen Spaß machte, ihren Anrufen zweimal in der Woche nach zu urteilen. Es war für Helen sehr ungewohnt, plötzlich mehr Zeit zu haben – vielleicht sollte sie an den kleinen Schreibtisch aus Eichenholz hinübergehen, der aus dem Gebrauchtmöbelladen um die Ecke stammte und an dem sie ihren Papierkram erledigte, und ein paar Rechnungen zahlen, die sich dort stapelten. Eigentlich war Bob dafür verantwortlich, aber wie immer hatte er sich nicht darum gekümmert, und vom E-Werk war bereits die zweite Mahnung gekommen.
Aber aus irgendeinem Grund war die Stromrechnung nicht zu finden. Vielleicht steckte sie in Bobs Aktentasche, die er heute hiergelassen hatte. In der Tasche fand Helen jedoch zunächst einen bereits geöffneten Umschlag. Sie zog eine Postkarte heraus. Gleich darauf blieb ihr das Herz stehen, als ihr bewusst wurde, dass auf der Vorderseite die Lavendelfelder in Norfolk abgebildet waren. Zitternd las sie die blaue Schnörkelschrift.
»Mein geliebter Bob, ich bin dieses Wochenende allein hierhergefahren, um unsere Spuren zurückzuverfolgen und an die unglaubliche Zeit zu denken, die wir hier hatten …«
Nachdem Helen die Karte gelesen hatte, wusste sie, dass sie nun den Beweis in den Händen hielt, den sie benötigte. Allerdings überraschte es sie, dass sie einen Stich im Herzen spürte.
Es war ein Fehler, jammerte Bob. Helen hatte gewartet, bis Grace mit ihren Freundinnen weggegangen war, bevor sie ihn konfrontierte. Ein schrecklicher Fehler. Es sei nur ein einmaliger Ausrutscher gewesen, oder höchstens zweimalig.
»Sie ist gerade einmal vierundzwanzig«, erwiderte Helen leise, die es kaum fassen konnte, dass ihr Mann tatsächlich in die Falle getappt war, die sie ihm gestellt hatte – ohne zu glauben, dass er so etwas Abscheuliches je tun würde. »Nicht viel älter als Caroline. Wie konntest du nur?«
»Ich weiß es nicht.« Bob setzte sich an den Tisch und stützte den Kopf in die Hände. »Es tut mir leid.«
Sie nahm ihm die Postkarte wieder ab.
»Was hast du vor?«
»Ich gehe damit zum Anwalt.«
Bob wurde noch blasser. »Das kann unmöglich dein Ernst sein.«
»Doch, Bob, das ist mein voller Ernst.« Sie blickte ihn an, als hätte sie ihn nie zuvor gesehen. »Ich möchte die Scheidung.«
Er lachte. Ein leises, hohles Lachen. »Und wie sollen wir das machen? Wir können uns keine Scheidung leisten.«
Es schien fast, als hätte er bereits selbst mit dem Gedanken gespielt.
»Mein Bruder Frank wird dich ausbezahlen. Er gibt dir die Hälfte von dem, was unsere Wohnung wert ist.«
»Du hast bereits alles genau durchdacht, nicht wahr?«
Helen musste an das Telefonat mit ihrem Bruder denken, den sie vorhin am frühen Abend trotz der hohen Auslandsgebühren in Kuala Lumpur angerufen hatte. »Einer muss es ja tun.«
Bob hob den Kopf, und sie konnte die Verzweiflung in seinen Augen sehen. »Wo soll ich wohnen?«
»Das liegt bei dir. Du hast ja noch Sandra.«
»Und das war’s dann also?«
Sie nickte.
»Sag den Mädchen nichts von meinem Fehltritt.« In seinen Augen lag nackte Angst. »Bitte.«
»In Ordnung.« Das war sie ihm zumindest schuldig. »Ich werde nichts sagen.«
Nachdem er gegangen war, holte sie die alten Familienalben heraus, darunter auch eins der ersten, für das sie, wie sie sich erinnerte, Bob überredet hatte, in ein Fotostudio zu gehen. Dort hatte er unbeholfen Platz genommen, und seine Steifheit vor der
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