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Perlentöchter

Perlentöchter

Titel: Perlentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Corry
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machte Helen aus den Bratenresten vom Vortag Shepherd’s Pie. Sie besaß einen kleinen Fleischwolf, ihr ganzer Stolz, der mit einer Handkurbel bedient wurde. Wenn Bob sich gelegentlich im Kühlschrank an den Resten des Sonntagsbratens vergriff, wurde sie richtig sauer, worauf er wiederum beleidigt reagierte. Dann blieb ihr nichts anderes übrig, als mehr Gemüse in den Auflauf zu füllen, als Ersatz für das stibitzte Fleisch.
    Nach dem Abendessen ließ Bob sich dann in seinen Fernsehsessel fallen und starrte auf die Mattscheibe, ohne sich an der Unterhaltung zu beteiligen. Gelegentlich forderte er Helen auf, sich hinzusetzen, aber wie konnte sie? Es gab immer so viel zu tun, seit sie wieder arbeiten ging. Das Geschirr vom Abendessen musste gespült (Caroline bot sich oft freiwillig an, während bei Grace nur gutes Zureden half), die Wäsche gebügelt, der Teppich mit dem Teppichroller gekehrt werden. Außerdem war Helen bemüht, jeglichen Lärm in der Wohnung auf ein Minimum zu reduzieren, solange sich Caroline auf ihre Abschlussprüfung vorbereitete: Das Mädchen war so angespannt, dass selbst das Knacken der Zentralheizung sie nervte, obwohl sie es hier viel wärmer hatten als in Sandras kaltem, zugigem Haus.
    Helen machte sich auch Sorgen wegen Thomas, dem jungen Mann, mit dem Caroline sich zurzeit traf. Es handelte sich um den Sohn einer Frau aus Ealing, die Helen schon ein paar Jahre lang kannte – eine strenge, hagere Frau, die auch Krankenschwester war, die aber seit der Geburt ihres Sohnes nicht mehr arbeiten ging. Sie und ihr Mann stammten genau wie Helen aus besseren Kreisen, obwohl Thomas’ Mutter sich eindeutig nicht auf eine Stufe mit Helen stellte. Vielmehr behandelte sie sie immer von oben herab, was Helen so sehr fuchste, dass sie hin und wieder Bemerkungen über den alten Herrensitz ihrer Tante in die Unterhaltung streute, um zu beweisen, dass auch sie aus einer guten Familie kam.
    Aber eigentlich war es Thomas selbst, der Helen Sorgen machte. Caroline war noch so jung und so leicht zu beeindrucken und so bis über beide Ohren verliebt! Jeden Freitagabend wartete sie draußen auf dem Treppenabsatz, dass er sie abholte, und Helen war sich sicher, dass ihre Tochter manchmal ihre Hausaufgaben vernachlässigte, obwohl sie bisher immer ein pflichtbewusstes Kind gewesen war.
    Was würde passieren, wenn ihre Tochter schwanger würde, so wie sie selbst damals, und gezwungen sein würde zu heiraten? Ihr Studium an der Kunsthochschule in London könnte sie dann abschreiben. Aber wenn Helen versuchte, mit Caroline darüber zu reden, lief diese nur knallrot an und erklärte ihrer Mutter, dass sie nichts von Sex vor der Ehe halte.
    Und dann entdeckte Helen Carolines Tagebuch. Es war eigentlich nicht ihre Absicht, darin zu blättern, aber dann fuhr Caroline mit ihrem Geografiekurs auf eine Exkursion. Während ihrer Abwesenheit nutzte Helen die Gelegenheit, Carolines Zimmerhälfte aufzuräumen, und trat auf Zehenspitzen über die auf dem Boden verstreuten Schallplatten ihrer Tochter hinweg. Neben dem Bett stand das Nachtschränkchen, in dem sich ihr Gebetbuch (Caroline war recht gläubig und sang jeden Sonntag im Kirchenchor) und ein klarer Nagellack befanden, den sie wohl lieber versteckte. Helen lächelte in sich hinein und nahm dann das kleine weiße Buch mit dem goldenen Schloss heraus, das daneben lag. Es handelte sich um das Tagebuch, das Maggy, wie Helen sich erinnerte, ihrem Patenkind voriges Jahr geschenkt hatte. Es war zwar verschlossen, aber der Schlüssel baumelte daran herunter. Obwohl Helen wusste, dass sie es besser lassen sollte, war sie unfähig, sich zu bremsen, und öffnete das Schloss.
    »Thomas liebt mich, und ich liebe ihn.«
    Helen schluckte.
    »Er hat mich wieder versetzt. Ob er eine andere hat?«
    Das arme Kind! Helens Herz zog sich vor Mitgefühl zusammen und erstarrte dann.
    »Er sagt, er wird vorsichtig sein. Ich habe ihm geantwortet, dass ich nach den Prüfungen darüber nachdenken werde.«
    Vorsichtig? Helen spürte Galle auf der Zunge. Die Prüfungen waren schon in wenigen Wochen. Falls Caroline schwanger wurde, konnte sie im Herbst nicht ihr Kunststudium beginnen. Man musste sie aufhalten.
    Bob war unnachgiebig. Ja, natürlich müsse diese Liebelei beendet werden, aber sie, Helen, solle sich darum kümmern. Es war Anfang der Siebziger. Solche Sachen seien Aufgabe der Mutter. Aber wie sollte Helen das bewerkstelligen? Wenn sie ihrer Tochter beichtete, was sie getan hatte, würde

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