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Perlentöchter

Perlentöchter

Titel: Perlentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Corry
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kalte Haut fühlte sich an wie Krepppapier. »Es war richtig von Ihnen, nicht über Nacht zu bleiben. Mütter wollen nicht, dass ihre Kinder sie leiden sehen. Menschen, die im Sterben liegen, warten oft, bis ihre Angehörigen weg sind, um ihnen den Kummer zu ersparen.«
    »Was für ein Quatsch.« Caroline konnte nicht verhindern, dass ihr die Worte herausrutschten. Die letzten Wochen waren so emotional gewesen, während sie die Tagebücher ihrer Großmutter und die Briefe ihrer Mutter las und gleichzeitig ihre eigenen Erinnerungen mit Diana teilte, um die Puzzlestücke systematisch zusammenzusetzen, bis sich ein vollständiges Bild ergab. »Ich hatte keine Ahnung, dass Mummy so über Simon dachte. Ich meine, großspurig? Hat sie ihn wirklich als ›großspurig‹ bezeichnet?«
    Diana hatte den Anstand, verlegen zu wirken. »Er war jung. Wir waren in diesem Alter wahrscheinlich alle ein bisschen arrogant.«
    »Ich nicht, glaube ich.« Caroline unterbrach sich und dachte an Simons angeborenes Selbstvertrauen, mit dem er jeden mitreißen konnte, inklusive seine Mitarbeiter, seine Leser und diese Tessa. »Aber ich war hin und weg von ihm. Er schien immer zu wissen, was er tat.« Sie warf einen Blick aus dem Café, in dem sie saßen, über die Straße, um sich zu vergewissern, dass die Jungs nach wie vor unter der Aufsicht ihrer älteren Schwester zufrieden am Strand spielten. »Und um ehrlich zu sein, habe ich mich geschmeichelt gefühlt, weil er mich ausgesucht hat.«
    Diana lachte. Ein vornehmes Lachen, während sie den Kopf in den Nacken legte und einen Laut erzeugte, der nach Brideshead gepasst hätte. »Ich kenne das Gefühl. Manche Dinge ändern sich nie.« Sie unterbrach sich kurz. »Sie haben viel mitgemacht in Ihrem Leben, Caroline. Ich staune darüber, wie stark Sie sind.«
    Hatte sie das? War sie das?
    Diana berührte sanft Carolines Schulter. Ihre Hand fühlte sich kühl an in der Hitze. »Heutzutage lässt man ein Kind, das mitansehen musste, wie die eigene Mutter in Flammen aufgeht, therapeutisch behandeln.«
    »Ich kann bis heute nicht mit Gas kochen«, bekannte Caroline leise. »Und wenn ich Spiritus rieche, wird mir sofort schlecht. Außerdem verstehe ich bis heute nicht, wie es zu dem Unfall kommen konnte. Tatsächlich dachte ich zuerst, dass mein Vater meine Mutter umbringen wollte, als er sie wieder und wieder über den Boden gewälzt hat. Ich weiß noch, dass ich gebrüllt habe: ›Daddy, du darfst Mummy nicht umbringen!‹« Sie unterbrach sich wieder kurz, während sie daran zurückdachte. »Schon komisch. Ich kann mich erinnern, dass ich nicht wusste, was das Wort ›ermorden‹ bedeutet, bis es aus meinem Mund kam.«
    Diana griff wieder nach ihrer Hand. »Es tut mir leid, dass ich die ganzen Erinnerungen zurückbringe.«
    »Nein.« Caroline setzte sich gerade auf und sah wieder hinüber zum Strand. Wo waren die Kinder? Ein plötzlicher Anflug von Panik übermannte sie, bis sie einen der Zwillinge entdeckte und gleich darauf den zweiten. Scarlet, die wohl von ihren kleinen Brüdern gelangweilt war, saß auf einem Felsen und plauderte mit einem hübschen Jungen, der ein Surfbrett unter dem Arm hatte.
    »Irgendwie fühle ich mich innerlich leichter. Ich habe noch nie wirklich mit jemandem darüber gesprochen. Wissen Sie, es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an meine Mutter denke. Manchmal – und das klingt jetzt sicher verrückt – höre ich sogar ihre Stimme in meinem Kopf, die mir kleine Ratschläge gibt. Das kann etwas völlig Banales sein, wie zum Beispiel, wo ich parken soll, oder etwas Wichtiges, wie Simon zu verlassen und hierherzukommen.«
    »Das ist sicher ein Trost.« Diana folgte ihrem Blick zu der kleinen Kinderschar am Strand. »Wenigstens hat Ihre Mutter noch Scarlet gesehen. Und nun erzählen Sie mal von den Zwillingen. Zwischen den Kindern gibt es einen großen Altersunterschied.«
    »Ja, ich weiß.«
    »War das so geplant?«
    Caroline nippte an ihrer Latte macchiato, die kalt geworden war vor lauter Reden. »Ja und nein.«
    Diana runzelte leicht die Stirn. »Das heißt?«
    »Das ist kompliziert. Als ich mit den Zwillingen schwanger wurde, war Simon nicht gerade begeistert. Er sagte, wir hätten dann nicht mehr genug Zeit für uns als Paar. Darum habe ich mir mit ihm so große Mühe gegeben.« Caroline kam ins Stocken, als sie daran dachte, dass sie sich nie beschwert hatte in all den Zeiten, als ihr Mann immer bis spätnachts arbeitete – manchmal kam es ihr vor, als hätte sie

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