Perlentöchter
Caroline eine Nachricht auf seiner Mailbox, die immer eingeschaltet war. Es war unmöglich, ihren Mann persönlich an die Strippe zu bekommen.
»Simon, ich bin es. Wenn du noch reden möchtest, komm bitte hier runter.«
Es war Teil der Prüfung. Wenn er sie alle zurückgewinnen wollte, und das unbedingt, würde er seine Arbeit delegieren und mit dem Abendzug herunterfahren. Falls er in Paddington den Schnellzug erwischte, dauerte es nur zwei Stunden bis Exeter St. Davids und dann noch eine halbe Stunde mit dem Auto. Er konnte um neun Uhr hier sein, wenn er sich ins Zeug legte.
Offenbar, dachte Caroline, während sie einen Blick auf die Uhr in ihrem Handy warf, hatte er sich nicht ins Zeug gelegt. Ihre Tochter war mit einer neuen Bekanntschaft ausgegangen, die sie in einer Kaffeebar kennengelernt hatte – erstaunlicherweise gab es drei Discos in der Stadt! –, und die Jungs waren oben und chatteten. Das war eigentlich nicht erlaubt, aber Caroline wollte nicht schon wieder Streit. Diana schlief noch. Caroline hatte am Abend mehrmals nach ihr gesehen, aber die alte Dame hatte eine normale Gesichtsfarbe und atmete gleichmäßig. Es kam ihr nicht richtig vor, sie zu stören.
Am nächsten Morgen, als Caroline aufstand, wurden ihr zwei Dinge bewusst. Erstens, dass Diana bereits im Bad war. Und zweitens, dass Simon nicht gekommen war. In diesem Moment piepte ihr Handy und zeigte an, dass sie eine Nachricht erhalten hatte. »Tut mir leid! Tot. Chaos, s. Nachrichten.«
Das war gar nicht nötig. Wie oft war das schon vorgekommen? Wieder eine Sondermeldung, die bedeutete, dass der Redakteur Überstunden machen musste, die über die Schlafenszeit jedes normalen Menschen hinausgingen. Zumindest hatte sie das immer geglaubt. Wie naiv war sie gewesen? Wie viele Affären hatte Simon vor dieser einen gehabt?
Diana, die unglaublich frisch aussah, als sie aus dem Bad kam, mit einem Teint, um den Caroline sie beneidete, lehnte es ab, einen Termin in der Klinik zu vereinbaren. »Ich kann es nicht leiden, wenn die Leute einen Wirbel um mich veranstalten, meine Liebe.«
Stattdessen, sagte sie, würde sie viel lieber einen Spaziergang zu dem botanischen Garten über der Strandpromenade machen. Meine Güte, Caroline habe ihn noch nicht gesehen? Er sei absolut umwerfend.
Die Kinder schliefen noch, was nicht verwunderlich war, nachdem sie Gott weiß wie lange getanzt beziehungsweise gechattet hatten. Also hakte sie Dianas dünnen Arm bei sich ein (irgendwie kam ihr das richtig vor, und die alte Dame hatte offenbar nicht das Geringste dagegen), und sie schlenderten in gemächlichem Tempo den steilen Abhang hoch.
»Sind Sie sicher, dass das nicht zu viel für Sie wird?«
Dianas Augen blitzten. »Absolut sicher, meine Liebe. Ich kann mich an dem Anblick nicht sattsehen. Wirklich atemberaubend, diese Aussicht, nicht wahr?«
Beide blickten über die Klippe auf das Meer, das in der Ferne glitzerte. Dort draußen wirkte es so friedlich, aber in Strandnähe grollte es laut und schlug Wellen gegen die Steilwand, sodass weiße Gischtfontänen hochspritzten.
»Ich wundere mich, dass Sie nicht mehr Landschaftsporträts machen.« Diana drückte ihren Arm. »Verstehen Sie mich nicht falsch, meine Liebe. Ich liebe Ihre botanischen Motive, und ich weiß, dass Sie sich damit einen Nischenmarkt geschaffen haben. Aber das hier ist doch grandios, finden Sie nicht auch?«
Caroline nickte. »Früher habe ich das Meer geliebt, als meine Patentante den Bungalow auf der Isle of Wight hatte. Ich habe es gemalt, aber das ist schon Jahre her.«
Wieder ein kurzes Drücken. »Dann sollten Sie vielleicht wieder damit anfangen. Ich habe eigentlich gehofft, dass dieser Ort Sie inspiriert. Übrigens, wann werden Sie es Ihrem Mann sagen?«
Der letzte Satz fiel so beiläufig, dass es einige Minuten dauerte, bis seine tiefere Bedeutung zu Caroline durchdrang. »Ihm was sagen?«
Sie nahmen nun auf einer Holzbank Platz – eine von vielen in einer Reihe, von der man einen fantastischen Ausblick hatte, während sich hinter ihnen ein majestätischer Turm aus Ziegeln und Feuerstein erhob, der früher einmal zu einem alten Mönchskloster gehörte und nun, selbst als Ruine, Scharen von Touristen anlockte. Die Bank war bereits von einem skandinavischen Paar mit Fernglas und Reiseführer besetzt, aber das hinderte Diana nicht daran, mit ihrer normalen, etwas lauten und artikulierten Stimme zu sprechen. »Wann werden Sie Ihrem Mann das mit Thomas sagen, Caroline?«
Es
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