Perlentöchter
die Kinder allein großgezogen –, und dass sie im Gegensatz zu ihren Freundinnen nie gesagt hatte, sie sei zu müde, wenn Simon im Bett die Hand nach ihr ausstreckte. Ihre Ehe, hatte sie sich geschworen, würde halten im Gegensatz zu der ihrer Eltern.
»Nicht genug Zeit als Paar?« Diana lachte kurz. »Die Männer beschweren sich darüber schon seit Jahren, obwohl die Frauen wahrlich mehr Grund dazu hätten. Schließlich haben sie keine freie Minute für sich, weil sie die Kinder versorgen müssen.« Die alte Frau klappte ein kleines silbernes Zigarettenetui auf, bevor sie es wieder zuschnappen ließ. »Verzeihung. Ich vergesse ständig die neuen Regeln. Macht es Ihnen etwas aus, wenn wir uns draußen ein wenig die Beine vertreten, damit ich eine rauchen kann?«
Caroline konnte den Geruch von Zigarettenqualm nicht ausstehen, mochte aber nichts sagen. Wie unfair, dass Frauen wie Diana steinalt wurden, obwohl sie rauchten und tranken, während ihre Mutter, die beides nur sehr selten getan hatte, sterben musste, als sie nur ein paar Jahre älter gewesen war als sie selbst heute.
Sie schlenderten auf der breiten Promenade am Strand entlang, vorbei an den Kindern, die den Eindruck machten, als wollten sie nicht erkannt werden (»Eltern können manchmal peinlich sein«, lachte Diana), und vorbei an dem hübschen weißen Hotel im Regency-Stil, hinter dem Dianas Haus lag.
»Es ist wunderschön hier.« Caroline sah durch die Fenster im Erdgeschoss in die mutmaßliche Hotelbar, wo eine Gruppe Touristen ihren Morgenkaffee trank. »Wie haben Sie diesen Ort entdeckt?«
»Ihre Großmutter und ich haben uns früher oft darüber unterhalten, dass wir später einmal gerne am Meer leben würden, wenn der Krieg vorbei ist.« Dianas Blick nahm einen verträumten Ausdruck an. »Wir wollten unbedingt nebeneinander wohnen.« Sie stieß ein kehliges Lachen aus. »Unsere Träume waren eins der wenigen Dinge, die uns jene Zeit haben durchstehen lassen. Als mein Mann starb, hatte ich das Bedürfnis, nach England zurückzukehren zu meinen Wurzeln, aber nicht nach London, weil es sich zu sehr verändert hatte. Also bin ich in den Südwesten gefahren und habe eine Ewigkeit nach so etwas wie hier gesucht. Ich glaube, Rose hätte es hier auch gefallen.«
Caroline schluckte den Kloß in ihrer Kehle hinunter. »Ich bin mir sicher, dass es ihr gefallen hätte. Und meiner Mutter bestimmt auch. Eine gute Freundin von ihr, die auch meine Patentante ist, hatte früher ein Ferienhaus auf der Isle of Wight. Meine Mutter hat die Insel geliebt. Es ist, als würde uns das Meer im Blut liegen.«
Diana nickte. »Familien sind so. Bestimmte Motive kehren immer wieder. Ich finde es im Übrigen außergewöhnlich, meine Liebe, dass wir nach all den Jahren zueinandergefunden haben. Sie besitzen so große Ähnlichkeit mit Ihrer Großmutter, dass ich manchmal fast glaube, Rose vor mir zu haben.« Ihre Stimme war leiser geworden, und der nächste Satz kam als ein Flüstern heraus. »Sie denken genau wie sie.«
Caroline war plötzlich alarmiert. »Ist alles in Ordnung, Diana?«
Die alte Frau wirkte sehr blass, und sie atmete merkwürdig. Caroline schnappte sich rasch eine von Scarlets Modezeitschriften als improvisierten Fächer, mit dem sie Diana Luft zufächelte. »Vielen Dank, meine Liebe.«
Schon besser. Dianas Gesicht bekam wieder Farbe. Caroline spürte eine große Erleichterung. »Mir war nur plötzlich so komisch … einer dieser merkwürdigen Anfälle. Verzeihen Sie mir, dass ich ins Schwafeln geraten bin. In meinem Alter tut man das manchmal. Macht es Ihnen etwas aus, wenn wir jetzt nach Hause gehen? Ich glaube, ich möchte mich ein wenig hinlegen.«
Sobald Diana sich ausgeruht hatte, überlegte Caroline, sollte sie der alten Dame vielleicht empfehlen, sich in der eindrucksvollen Klinik in der Stadt untersuchen zu lassen, die sie mit Oliver aufgesucht hatte, nachdem er am Strand in einen alten Angelhaken getreten war und hatte genäht werden müssen.
In der Zwischenzeit hatte sie genug zu tun mit Simon, ganz zu schweigen von ihrer Sorge um Grace, die nicht auf ihre Anrufe reagierte. Das war an sich nicht weiter ungewöhnlich bei dem prallen Terminkalender ihrer Schwester, aber Caroline wurde das dumpfe Gefühl nicht los, dass etwas passiert war. Es war, als müsste sie nach allem, was sich in ihrem Leben ereignet hatte, für das Schlimmste gewappnet sein.
Was Simon betraf, hatte Diana recht. Es konnte nicht ewig so weitergehen, also hinterließ
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