Perlentöchter
mitbekam, dass sie lauschten. Der Arzt machte gerade einen Hausbesuch bei ihrer Mutter, weil Caroline einen Bruder oder eine Schwester bekommen würde. Ein älterer Bruder wäre gut, denn der könnte sie in der Schule beschützen, wenn sie wieder gehänselt wurde, weil sie nicht richtig rechnen konnte. Aber statt eines großen Bruders wurde ihr, als sie in das Zimmer ihrer Mutter geführt wurde, ein lautes, zorniges kleines Bündel in Weiß präsentiert, das losbrüllte, als sie es begrüßte. Ein Kinderwagen im Garten mit etwas, das ihre Mutter einen »Baldachin« nannte. Seefahrer spielen in einem Schiff aus Pappkarton, obwohl ihre Schwester, die inzwischen etwas größer war, sie nicht in Ruhe lassen wollte.
Kalt. Die ganze Zeit kalt, sodass ihre Finger weiß wurden und sie nicht gut schreiben konnte. Heiß. Das Feuer im Wohnzimmer mit Gesichtern in der Kälte. Eine silberne Grillgabel, mit der man früher Toast röstete über dem Feuer. Wieder eine Fahrt im Auto, aber dieses Mal wartete Maggy am Ziel! Ihre freudestrahlende Patentante, die ihre Mutter zum Lachen brachte und sie zu den Spielautomaten mitnahm auf dem sogenannten »Pir«. Es dauerte Jahre, bis Caroline realisierte, dass man das Wort anders schrieb.
Es gab auch fröhliche Zeiten. Wie jener Tag, an dem ihre Mutter zum ersten Mal Müsli auf den Frühstückstisch brachte, das ihr Vater prompt als »Kaninchenfutter« bezeichnete, sodass sie alle lachen mussten, zum Teil aus Erleichterung, weil ihr Vater, obwohl er bei solchen Kleinigkeiten schnell eingeschnappt reagierte, herzlich mitlachte. Oder jener zauberhafte, brütend heiße Augusttag, als ihre Mutter überraschend ihre Großmutter einlud, mit ihnen in den Wald zu gehen und Brombeeren zu sammeln, und beide Frauen sich in der Hitze lachend bis auf den BH auszogen, bevor sie sich hinterher zu Hause wieder gegenseitig angifteten.
Dann die Vorfreude, auf etwas zu sparen von den zwei Schillingen und der Sixpence-Münze, die sie jede Woche als Taschengeld bekam. Einmal hatte sie ein ganzes Jahr gespart, um ihrer Mutter eine Bernsteinkette zu schenken. Ein anderes Mal kaufte sie von ihrem Geld eine kleine Trollfigur mit weißen Haaren (»neumodischer Fimmel«, bemerkte ihr Vater dazu verächtlich), die sie Philomena nannte und die heute noch in Scarlets Zimmer stand. Ein Ferienjob bei einem Zeitungshändler und Mittagspausen im Park mit den Kurzgeschichten von Somerset Maugham.
Dann der eine Tag, an dem ihr Vater an einer Tankstelle hielt und einen grün-schwarzen Tigerschwanz kaufte. Lachend hängte er ihn an den Innenspiegel, und sie spürte eine wohlige Wärme in sich, bis sie später in der Nacht, als sie nicht schlafen konnte und aufstand, ihre Mutter leise weinend am Küchentisch fand, auf dem die Stromrechnung lag. Begriffe wie »Unkosten« und »Gasrechnung«, die zwischen ihren Eltern durch die Luft zischten und grundsätzlich Ärger bedeuteten. Miss Gare, die sie im Mathematikunterricht tadelte, als Caroline fragte, ob es Zufall sei, dass eine bestimmte Reihe von Zahlen immer zehn ergab. Zum Glück konnte sie sich oben in ihr Etagenbett zurückziehen, um die Ereignisse des Tages auf dem Zeichenblock zu verarbeiten, den Maggy ihr zu Weihnachten geschenkt hatte, zusammen mit einem schwarzen Malkasten.
»Weiter«, hörte sie Petunia leise sagen. Die Erinnerungen strömten nun auf sie ein. Ihre Großmutter Sandra, weinend, weil sie auszogen. Der Geruch der Teppiche in der neuen kleinen Wohnung, die keinen eigenen Garten hatte – was ihr peinlich war und sie davon abhielt, weiterhin Schulfreundinnen mit nach Hause zu bringen, die das sicher seltsam gefunden hätten.
Ihre Mutter, die mit ihr zu Pullens fuhr, dem Ausstatter für Schulkleidung, und ihr den ersten BH mit zartem Blütenmuster in Weiß kaufte und den ersten richtigen Strumpfgürtel. Der Wunsch, endlich eine Frau zu werden. Schließlich dieser rötlich braune Fleck im Slip, der bedeutete, dass sie ihre Periode hatte, was irritierenderweise auch eine andere Bezeichnung für »Schulstunde« war. Heiße Sommertage, die verbunden waren mit Tennis auf der Wiese und der Erkenntnis, dass Klee den Ball verlangsamte. Eine naturwissenschaftliche Arbeit, die sie versemmelt hatte, während sie ihrer Mutter das Gegenteil weismachte (ihre einzige Lüge), was aber später aufflog, als das Nachbarmädchen, das keine Mutter hatte und von Carolines Mutter oft zum Abendessen eingeladen wurde, sie verriet. Die gelegentlichen Sonntagsausflüge zum Pub
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