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Perlentöchter

Perlentöchter

Titel: Perlentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Corry
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hin wirkte. Onkel Victor, der sich in Carolines Kopf schlängelte, zusammen mit dem Duft der Tomatenpflanzen in seinem Gewächshaus.
    Petunia notierte sie alle. Dann ließ sie ihr Pendel kreisen und murmelte in einem leisen Singsang vor sich hin. Worte wie »Anteil« und »klären« drangen durch das Gemurmel. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, und hin und wieder blätterte Petunia eine Seite um und begann einen neuen Sprechgesang, während sie das Pendel wieder kreisen ließ.
    »Erzählen Sie«, sagte sie sanft. »Erzählen Sie mir von den Dingen in Ihrem Leben, die Sie immer noch verfolgen.«
    Sie verfolgten?
    Der leise Singsang weckte in ihr fast das Bedürfnis mitzusummen, ähnlich einem Traum, den sie einfach beiseitefegen konnte wie einen Türvorhang aus Musselin, um einzutreten. »Begebenheiten in Ihrem Leben, die Sie immer wieder beschäftigen.«
    Dann wusste Petunia also Bescheid? Über die Erinnerungen, die manchmal in solcher Deutlichkeit zurückkehrten, dass sie realer wirkten als die Gegenwart?
    »Wir alle haben solche Begebenheiten, Caroline. Aber nur, wenn wir ihnen Platz zum Atmen lassen, können wir sie zur Ruhe bringen.«
    Wo sollte sie anfangen?
    Das Feuer. Es musste zuerst das Feuer sein, damals im Jahr, wann, 1960? »Wir fahren in Urlaub«, hatte ihre Mutter gesagt, während sie Caroline in dem kalten Bad mit den schwarzen und weißen rautenförmigen Fliesen abtrocknete, das sie sich mit Sandra teilten. Caroline hatte eine Gänsehaut, sowohl vor Kälte als auch vor Aufregung wegen der angekündigten Reise. »Wir werden eine lange Fahrt ans Meer machen, und auf dem Rückweg besuchen wir Tante Phoebe und Onkel Victor. Wir müssen mitten in der Nacht aufstehen, weil dann unsere Reise beginnt. Das wird ein richtiges Abenteuer!«
    Onkel Victor! Caroline mochte den alten Mann mit seinem moosgrünen Pullover, der nach offenem Feuer roch und sie immer auf sein Knie setzte, um ihr Geschichten zu erzählen. Tante Phoebes Bratäpfel dagegen mochte sie nicht, weil ihr davon immer schlecht wurde. Aber ihre Mutter hatte nicht zu viel versprochen. Es war ein Abenteuer, mitten in der Nacht aufzustehen und von ihrem Vater zum Auto getragen zu werden, damit sie auf dem Rücksitz weiterschlafen konnte. Als sie aufwachte, fuhren sie gerade über einen holprigen Weg, der vor einem hübschen Haus mit grünen Blättern endete und einem Schild, auf dem »B&B« stand. Caroline fragte sich, was die Buchstaben bedeuteten. Aber – und das war das Großartige daran – auf der Wiese neben dem Haus stand ein Pferd. Ein weißes Pferd, das nach ihr rief und dessen Nase sich wunderbar weich anfühlte, wie Samt, sodass sie Lust bekam, in das Sammelalbum zu malen, das ihre Mutter ihr gegeben hatte, falls ihr auf der Fahrt langweilig wurde, und die Pferdenase auf dem dicken Bastelpapier zu verewigen.
    Ein Picknick, sagte ihre Mutter. Morgen würden sie ein Picknick machen! Sie war heute gut aufgelegt, ihre Mutter. »Zu Hause lachst du nie so oft«, hörte sie ihren Vater sagen, als sie später im Bett in dem großen Zimmer lag, das sie sich in diesem wundervollen Haus mit der Pferdewiese mit ihren Eltern teilte. »Das liegt daran, dass SIE nicht hier ist.«
    Wer war sie? Und wo war Sandra? Sie hätte ihre Großmutter gerne dabeigehabt. Wieder eine Fahrt am Morgen. Dieses Mal kurz. »Da drüben«, sagte ihre Mutter und deutete auf eine Wiese mit einem Gattertor. Caroline nickte wieder ein und nahm im Unterbewusstsein das leise Murmeln ihrer Eltern wahr. Sätze wie: »Warum halten wir nicht einfach hier?« und: »Ich muss pinkeln« sickerten in ihr Bewusstsein. Aber nun hielt ihr Vater an. Die rote Karodecke wurde herausgeholt, was gewöhnlich das Signal für hartgekochte Eier und die Thermoskanne war, während ihr Vater den Gaskocher aufstellte, damit sie sich etwas Warmes zubereiten konnten, da es offenbar überraschend kühl war für Juni. »Nicht so«, sagte ihre Mutter. »Sollst du nicht eigentlich …«
    Caroline stand neben dem Wagen, als sie plötzlich die Stichflamme wahrnahm. Das Feuer schoss in die Höhe, sodass sie ihre Mutter nicht mehr sehen konnte. Man hörte einen Schrei, und kurz darauf rollte ihr Vater ihre Mutter hin und her wie ein menschliches Nudelholz, auf dieselbe Art, wie ihre Mutter den Pastetenteig zum Blindbacken rollte, obwohl Caroline nie verstanden hatte, warum der Teig überhaupt sehen konnte.
    »Daddy – du darfst Mummy nicht ermorden!«
    Das Wort »ermorden« schmeckte seltsam in ihrem Mund. Noch

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