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Perlentöchter

Perlentöchter

Titel: Perlentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Corry
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ihrem Namen in der obersten Zeile.
    Sie ging in die Küche. »Hallo, mein Schatz!«
    Scarlet sah vom Herd auf. Sie hatte so große Ähnlichkeit mit Grace, als diese in ihrem Alter war, dass Caroline manchmal ihre Namen verwechselte, wenn sich beide im selben Raum aufhielten. »Du kommst spät. Ich mache gerade einen kleinen Snack.«
    »Tut mir leid.«
    Caroline stellte den Karton mit den Büchern behutsam ab und öffnete den Umschlag. Ein kleines Stück Papier steckte darin, aber es war nicht einfach, es herauszufischen. Als ihr prompt wieder ein Fingernagel einriss, musste sie an Graces wunderschön manikürte Hände denken. Man konnte eben nicht solche Hände haben und als Künstlerin arbeiten.
    »Wie war dein Tag?«, fragte sie, während ihre Finger das Papier umschlossen und aus dem Umschlag zogen.
    »Ganz okay. Ich habe wieder eine Supernote in Mathe bekommen. Das war übrigens ein Scherz. Was hast du, Mum?«
    Caroline schob das Foto zusammen mit der getippten Nachricht schnell zurück in den Umschlag, bevor ihre Tochter einen Blick darauf werfen konnte. »Nichts. Kannst du ein paar Sandwiches mehr machen? Ich kümmere mich gleich um das Abendessen. Zuerst muss ich noch einen Anruf erledigen.«
    Sie hastete mit wild schlagendem Herzen die Treppe hoch und schloss die Badezimmertür hinter sich ab, bevor sie das Foto mit zittrigen Händen wieder herausnahm. Es gab keinen Zweifel. Er war es, mit seinem selbstsicheren Hängebackenlächeln, dem steifen weißen Hemd und ohne Krawatte. Immer noch zitternd griff sie in ihre Jacke und wählte auf dem Handy die Nummer, die sie auswendig kannte. Bitte, lass nicht den Anrufbeantworter drangehen. Bitte, lass das nicht zu.
    »Simon? Ich bin es.« Sie zitterte nun nicht mehr vor Angst, sondern vor Wut. Als wäre sie nicht sie selbst, sondern Grace, eine aufgebrachte Grace, die Wörter benutzte, vor denen Caroline schon immer zurückschreckte. »Ich habe ein Foto bekommen, mit der Post. Verfluchte Scheiße, was soll das?«

7
    »Wir reden später, sobald ich zu Hause bin«, hatte Simon am Telefon gesagt, in einem distanzierten Ton, bei dem es Caroline kalt den Rücken hinablief. Eine Art Fernsteuerung in ihrem Gehirn sagte ihr, dass sie die Kinder aus dem Haus schaffen musste, bevor Simon kam. Sie sollten nicht sehen, was Grace und sie gesehen hatten, nicht Augenzeugen werden von tränenreichen Auseinandersetzungen und gegenseitigen Beschuldigungen, die sich regelmäßig zwischen ihren eigenen Eltern abgespielt hatten, als Caroline mit siebzehn fast erwachsen war und ihre Schwester gerade einmal zwölf.
    Das war der einzig klare Gedanke in ihrem Kopf. Der Rest war ein wirres Durcheinander. Ein verschwommener Fleck. Ein schrecklicher, sirupartiger Morast, in dem das Leben bis zu ihrer Rückkehr von dem Besuch in Tante Phoebes altem Haus vor einer halben Stunde noch völlig normal war. Als sie in Gedanken noch das Wunder beschäftigte, dass die Tagebücher ihrer Großmutter aufgetaucht waren, in denen sie auf der Rückfahrt bereits geschmökert hatte – und den braunen Umschlag fand. Und das Foto darin.
    Eine Aufnahme von ihrem Mann, der eine kleine, dunkelhaarige Frau in einem Elle-T-Shirt küsste.
    Eine Fotografie log nicht. Dazu war sie nicht fähig.
    »Wir reden später, sobald ich zu Hause bin.« Sie hätte an Ort und Stelle eine Erklärung verlangen sollen. Simon war gut darin, die Wahrheit zu verdrehen, das war sein Job. Er log nicht, das betonte er immer. Er erzählte die Dinge bloß neu, damit der Leser sie besser verstand. »Du darfst mir nie Sachen neu erzählen«, hatte sie einmal in der Anfangszeit ihrer Ehe gesagt, als sie noch dabei waren, sich besser kennenzulernen. Und er hatte sie angesehen mit diesem Blick, der ihr durch und durch ging. »Das würde ich dir nie antun, Carrie«, hatte er geantwortet. Und sie hatte ihm geglaubt!
    »Dad und ich gehen aus«, erklärte sie den Zwillingen, die vor dem Fernseher herumlümmelten. »Scarlet passt auf euch auf.« Sie machten sich nicht einmal die Mühe, die Köpfe zu ihr zu drehen, zweifellos in der Hoffnung, dass sie sich vor den Hausaufgaben drücken konnten. »Und vergesst eure Hausaufgaben nicht.«
    Normalerweise, dachte Caroline, würde sie die Jungs nun für ihr Abendprogramm hochscheuchen, das immer traditionell damit endete, dass sie beide im Bett zudeckte, obwohl sie wusste, dass sie nach wenigen Minuten wieder herauskletterten. Das Zudecken war ein alter Brauch aus ihrer Kindheit. »Mach die Schotten dicht«,

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