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Perlentöchter

Perlentöchter

Titel: Perlentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Corry
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Antwort gab, die Frage in eindringlichem Flüsterton wiederholte.
    Manchmal, wenn Rose an den Besuch des Jungen vor all den Jahren dachte, als er sie zu Mayas Hütte geführt hatte, fragte sie sich, wie sicher viele andere auch, ob sie sich ihn nicht vielleicht bloß eingebildet hatte. Die Angst, er könnte ihrer Fantasie entsprungen sein, übertraf die Angst, die man als Reaktion auf ein solches Phänomen erwarten würde, und vergrößerte sich durch den Umstand, dass er ihr seitdem nicht mehr erschienen war.
    Aber nun war er hier! Sie konnte ihn fast berühren, als er sich ihrem Bett näherte und so tat, als wollte er sie herausziehen. Er wollte, dass sie ihm folgte! Sie glitt mit den Füßen voran aus dem Bett und in ihre Stoffschuhe, um ihm rasch nachzueilen, während er ihr Zimmer verließ und im Nebenraum verschwand, den ihre Jungs sich mit der Kinderfrau teilten. Dort deutete er auf den Boden. Auf einen Stock neben Geoffreys Bett, bloß dass, du lieber Gott, der Stock sich bewegte. Eine Schlange!
    Rose sagte später, ihr sei schleierhaft, warum sie nicht in Panik geriet oder schrie oder sogar in Ohnmacht fiel. Stattdessen kehrte sie rasch zurück ins Wohnzimmer und schnappte sich den kleinen Säbel von der Wand, der von Charles’ Abenteuern im Krieg stammte, ein Thema, bei dem er sehr gesprächig wurde.
    »Geh zur Seite«, sagte sie lautlos zu dem Jungen, der zwischen ihr und der Schlange stand. Aber er blieb einfach stehen. Der Stock bewegte sich auf Geoffreys Bett zu, kam immer näher. Wenn sie die Schlange töten wollte, würde der Hieb so gut wie sicher durch den Jungen gehen, aber sie hatte keine andere Wahl. Mit einigen Schwierigkeiten hob sie den Säbel, aber dann passierte etwas ganz Merkwürdiges. Er fühlte sich plötzlich ganz leicht an. So leicht wie einer der sechs silbernen Teelöffel, die sie aus der alten Heimat mitgebracht hatte. Durch diese plötzliche Leichtigkeit war es beinahe ein Klacks, die Klinge auf den langen, silberfarbenen, sich schlängelnden Stock zu senken, sodass der Kopf durch das Zimmer in Richtung Tür kullerte. Der Stock wand sich zitternd und zappelnd, bevor er schließlich auszuckte.
    Die Kinder drehten sich im Schlaf um, aber die Kinderfrau in dem dritten Bett war aufgewacht. Sie setzte sich auf, umklammerte ihr Nachthemd und starrte abwechselnd auf die kopflose Schlange am Boden und auf die Memsaab mit dem Säbel in der Hand. Dann öffnete sie den Mund und schrie. Erst in diesem Augenblick wurde Rose etwas bewusst. Von dem Jungen war nichts mehr zu sehen.
    Sie verlor selbstverständlich kein Wort über ihn, außer in ihrem Tagebuch. Man hätte sie sonst für verrückt erklärt. Tatsächlich gab es einige, die Rose seit dem Vorfall mit den Perlen vor ein paar Jahren ohnehin für eine Hexe hielten und auch, weil es ihr irgendwie gelang, mit dem Mann verheiratet zu bleiben, den die anderen Männer als Nebenbuhler fürchteten. Affären wurden hier als ein Teil des Lebens betrachtet, vorausgesetzt, sie hielten nicht zu lange an, und es wurde gemunkelt, dass Charles auf der anderen Seite der Insel diverse Verhältnisse mit verheirateten Frauen hatte wie auch mit seinem ehemaligen Hausmädchen.
    Zu jenem Zeitpunkt ahnte Rose nichts davon, anderenfalls hätte sie vielleicht mehr gekämpft. Die Gelegenheit dazu bot sich drei Tage später, als Charles früher zurückkehrte, nachdem er von dem Zwischenfall mit der Schlange erfahren hatte. Neuigkeiten verbreiteten sich hierzulande erstaunlich schnell.
    Wieder hatte Rose sich früh schlafen gelegt, froh, allein zu sein, wurde aber zunächst von Whiskygeruch und dann von einem rauen Männerkinn geweckt. »Ich habe gehört, meine Frau köpft in meiner Abwesenheit Schlangen.«
    Sie erstarrte, als der breite Körper ihres Mannes sich neben sie zwängte. »Bitte, Charles. Ich schlafe bereits.«
    »Ich nicht.«
    Seine Stimme dröhnte in der Dunkelheit. Er würde die Kinder wecken, wenn sie ihn nicht zum Schweigen brachte, und sie wollte nicht, dass sie Zeugen einer Szene wurden. Außerdem erkundete Charles’ Hand nun ihre Brust und arbeitete sich weiter nach unten.
    »Das ist keine gute Zeit.«
    »Hast du deine Regel?«
    »Nein, aber …«
    Warum hatte sie nicht gelogen? Nun war es zu spät. Ein Schwall von Übelkeit stieg in ihr hoch, als er sich auf sie warf, und sie versuchte zu spät, ihn wegzustoßen. Er revanchierte sich, indem er ihre Handgelenke umklammerte und in das Kissen drückte, sodass sie sich unter seinem Gewicht nicht

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