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Perlentöchter

Perlentöchter

Titel: Perlentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Corry
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hier.«
    Die Augen des Doktors blickten auf sie herunter. Sein Mund bewegte sich, als würde er sprechen, aber seine Worte ergaben keinen Sinn. Dann fühlte sich ihr ganzer Körper an, als würde er zerreißen und explodieren, bis sie plötzlich den Schrei hörte. »Sie haben einen Sohn«, rief der Doktor in einem freudigen Ton, der sicherlich angemessener war für einen Vater, wäre dieser präsent gewesen. »Sie haben einen hübschen kleinen Jungen, Rose.«
    Erst später, nachdem der Doktor sich verabschiedet hatte und Rose mit ihrem zweiten Sohn allein zurückblieb, der ernst zu ihr hochblickte, während sein Mund fest um ihre Brust geschlossen war, wurden ihr zwei Dinge bewusst. Das erste war, dass Edward sie während seines Besuchs kein einziges Mal »Mrs Macintyre« genannt hatte. Und das zweite war, dass Edwards Antwort auf ihr Rufen nach ihrem Ehemann vorhin keinen Sinn ergeben hatte, aber nun schon. Sogar deutlich. »Ich weiß«, hatte er gesagt. »Er ist auf der Halbinsel.«
    Derselbe Ort, an den Maya gegangen war. Derselbe Ort, an dem Edward zuvor einer Frau bei der Entbindung geholfen hatte. Als Rose dann am folgenden Tag ihrem Gatten stumm seinen neugeborenen Sohn gab, betrachtete sie ihn auf eine Art, wie sie das nie zuvor getan hatte. »Sag mir«, fragte sie leise, »hast du einen Sohn oder eine Tochter bekommen?«
    Charles erwiderte ihren Blick, die breite, schweißnasse Brust entblößt unter seinem halb aufgeknöpften Hemd. »Fühlst du dich nicht wohl, Rose?« Er blickte auf das Kind in seinen Armen. »Du weißt doch, dass wir wieder einen Sohn haben.«
    »Den haben wir«, antwortete sie, wobei sie das »wir« betonte. »Aber ich habe dich nach deinem anderen Kind gefragt, das offenbar am selben Tag geboren wurde. Ist es ein Mädchen oder ein Junge?«
    Sein Mund bewegte sich, als wollte er etwas sagen, und blieb dann stumm, aber sie konnte an dem Ausdruck in seinen Augen und an dem Knoten in seinen Brauen sehen, dass sie die Wahrheit getroffen hatte. »Sei nicht albern, Rose.« Er drückte ihr das Baby wieder in den Arm. »Du solltest wirklich aufpassen, dass deine Fantasie nicht mit dir durchgeht.«

19
    »Hast du schon die Neuigkeit gehört?«, fragte Celia, während sie in das Zimmer hineinplatzte. Rose spielte gerade mit ihren Söhnen. Sie beschäftigten sich mit kleinen Ringen aus Holz, die Roses Vater den weiten Weg von zu Hause aus geschickt hatte, ein Spiel, das Grace und sie bereits als Kinder gespielt hatten und das bei ihren Söhnen mehr Begeisterung weckte. Geoffrey mit seinen drei Jahren war schon beinahe so groß wie Roger, obwohl sie zwei Jahre voneinander trennten, aber er war auch stämmiger und kam von der Statur her eher nach seinem Vater.
    »Sag schon.« Rose stand auf und strich ihr blassblaues Kleid aus Baumwolle glatt, das sie selbst aus einem Stoff vom Markt genäht hatte. Charles hatte sie beim Frühstück kurz gemustert, aber nichts gesagt. Sie hatte es ihm durchgehen lassen. Seit Geoffreys Geburt hatte sie gelernt, vieles ohne Kommentar durchgehen zu lassen. Das Gespräch über Mayas gleichzeitige Niederkunft war zu schmerzhaft, um es fortzuführen. Außerdem, was hatte das schon für einen Sinn? Charles war, wie sie gelernt hatte, unberechenbar. Er wäre imstande, sie zu verlassen, wie das ein paar Jahre vor ihrer Ankunft einer armen Frau hier widerfahren war, über die heute noch geredet wurde. Die Betroffene hatte keine andere Wahl, als nach England zurückzukehren, ohne Mann und mit einem Kind im Schlepptau. Offenbar wurde sie von der Gesellschaft gemieden und lebte nun im Norden als Haushälterin.
    Dies war, darin waren sich alle einig, eine lehrreiche Warnung.
    »Bist du sicher, dass du es hören willst?« Celia stand mit vor Aufregung geröteten Wangen vor ihr. »Du machst irgendwie den Eindruck, als wärst du in Gedanken woanders, wenn ich das so sagen darf.«
    »Wenn du es mir nicht erzählen möchtest, Celia, dann behalte es für dich.«
    »Dr. Whittaker möchte sich niederlassen, statt weiter ständig durch die Gegend zu reisen.« Ihre Freundin rasselte die Worte praktisch herunter. »Er will sich hier in der Nähe eine Praxis einrichten.«
    Rose spürte einen Knoten im Bauch. »Dann hat er also wieder geheiratet?«
    Es gab diverse Gerüchte, der Doktor habe seine Verlobte aus England mitgebracht, eine Freundin seiner verstorbenen Frau, aber Celia schüttelte den Kopf. »Anscheinend«, sagte sie mit gedämpfter Stimme, »ist die Verlobung geplatzt. Nach allem,

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