Perlentöchter
zu schweigen von seinem jüngeren Bruder. Sei auf der Hut, Rose. Ich sehe Unheil auf euch zukommen. Und nun lass mich Abschied nehmen von deiner bezaubernden Tochter. Weißt du, bei ihrem Anblick bereue ich es fast, dass ich kein zweites Kind haben wollte. Ach übrigens, das hätte ich fast vergessen, Edward hat mich gebeten, dir eine gute Reise zu wünschen. Er musste dringend zu einer Entbindung.«
Roses Gedanken wanderten zurück zu der gebeugten Gestalt, die sie von ihrem Grundstück hatte weglaufen gesehen. »Auf der Halbinsel?«
»Dann weißt du es also schon. Was soll’s, ich hielt diesen Mann schon immer für zu gut, um wahr zu sein.«
Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. »Wie meinst du das?«
Celia machte eine wichtige Miene, das Zeichen, dass sie gleich mit saftigem Tratsch aufwarten würde. »Ich traue keinem Mann, der seinen Namen ändert, du etwa? Das weckt den Anschein, als habe er etwas zu verbergen. Unser Dr. Whittaker heißt eigentlich gar nicht Edward. Das hat er mir neulich beim Lunch verraten. Sein richtiger Name ist Jim, aber da sein Vater auch so hieß, riefen seine Eltern ihn immer bei seinem zweiten Vornamen, um Verwechslungen zu vermeiden. Ich habe ihm gesagt, dass Edward viel vornehmer klingt. Dr. Jim – das geht ja gar nicht, oder?«
Die Reise, die zwei lange Schiffspassagen umfasste und zahllose Überfahrten mit der Fähre, schlug jedem auf den Magen. Und zwar so sehr, dass Roses ständige Übelkeit im Prinzip nicht auffiel. Sie tat alles, was sie konnte, um die Folge von Charles’ letzter Invasion loszuwerden. »Mein Gott, Rose«, bemerkte Charles beinahe bewundernd eines Abends nach dem Essen. »Du trinkst ja fast so viel wie ich. Und geh etwas sparsamer mit dem heißen Wasser um, wenn du dich wäschst. Du könntest dich sonst verbrühen oder mich.«
Als sie schließlich im Hafen anlegten, war Rose, die unaufhörlich vor Kälte bibberte, obwohl alle behaupteten, es sei wunderbar warm für Mai, sich über drei Dinge sicher. Erstens, dass Charles beabsichtigte, direkt nach Schottland weiterzufahren, sodass sie den Weg von Southampton nach London ohne ihn antreten musste. Zweitens, dass sie, sobald sie Gelegenheit hatte, Papa ihre Situation zu erklären, ihn im Vertrauen bitten würde, sie mit ihrer Tochter unter dem Vorwand in seinem Haus wohnen zu lassen, da es näher zu Stanmore war, wo die Jungs zur Schule gingen. Und drittens, dass sie trotz ihrer Notmaßnahmen mit Gin und fast kochend heißen Bädern ihr viertes Kind erwartete.
»Ausgeschlossen.« Ihr Vater schritt in seinem Arbeitszimmer auf und ab, das das ehemalige Schulzimmer war. Sein früheres Arbeitszimmer diente nun als kleinerer Morgensalon, in dem das Wirken einer weiblichen Hand in Form von Spitzentischdecken und hübschen Lampen zu erkennen war. Phoebe war offenbar gelungen, was Rose nie geschafft hatte: ihren eigenen Stempel zu hinterlassen. »Ausgeschlossen«, wiederholte er. »Du bist eine Mutter von drei Kindern.« Sein Blick fiel auf ihren Bauch. »Fast vier. Du kannst unmöglich deinen Mann verlassen. Denk an den Skandal, den du damit auslösen würdest, ganz zu schweigen von dem irreparablen Schaden, den mein eigener Ruf nehmen würde. Ich weiß, die Zeiten ändern sich, aber ein solches Verhalten ist indiskutabel, Rose.«
Sie sank in den hübschen rosaroten Sessel, der früher ihrer war, aber nun Brandlöcher hatte, die zweifellos von Phoebe stammten. »Ich bedaure.« Seine Stimme klang nun weicher. »Keine Ehe ist perfekt. Du hast doch sicher gesehen, was ich selbst für Opfer bringen musste. Deine Mutter leidet an einer chronischen Krankheit, und das ist nicht immer einfach.« Er stieß ein Räuspern aus, und Rose fragte sich, ob er die Wettleidenschaft ihrer Mutter erwähnen würde. Sie hatte die Telegramme gesehen, die auf einem Silbertablett die Treppe hochwanderten und wieder hinunter. Aber die Pferderennen schienen das Einzige zu sein, wofür ihre Mutter Interesse aufbrachte, also wie kam Rose dazu, sie dafür zu verurteilen? »Man muss eben Möglichkeiten finden, sich damit zu arrangieren.«
»Amerikanische Möglichkeiten?« Rose konnte nicht verhindern, dass ihr die Worte herausrutschten. »Sag mir, wie geht es eigentlich Aveline und der lieben Lydia?«
Die Ader auf der Stirn ihres Vaters trat hervor. Er war beträchtlich gealtert, seit sie fort war, aber er machte immer noch eine stattliche Figur mit seiner würdevollen Haltung und der hochmütigen Miene. »Mrs Gillingham geht es
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