Perlentöchter
»Offen gesagt, ich möchte Alec jetzt nicht allein lassen. Die Menschen haben scheinbar nicht mehr dieselben Moralvorstellungen wie früher. Hast du gehört, dass …«
Sie erzählte Rose daraufhin von einem weiteren Ehemann, der heimisch geworden war: ein Ausdruck für einen verheirateten Europäer, der seine Frau für eine dunkelhäutige Einheimische verließ, statt sich diese als Geliebte zu nehmen. Letzteres war nach Celias Auffassung offenbar weitaus akzeptabler.
»Offen gestanden«, fügte sie hinzu, »ich an deiner Stelle würde es nicht riskieren.« Sie sah ihre Freundin mit einem verschlagenen Blick an. »Außer du hast andere Möglichkeiten.«
Andere Möglichkeiten? »Was meinst du damit?«
»Komm schon, Rose, ich bin nicht dumm. Ich habe doch gesehen, wie der Doktor dich immer anschaut. Warum, denkst du, hat er nie geheiratet?«
Rose spürte ein warmes, angenehmes Kribbeln im Rücken. »Mag sein, dass er nicht verheiratet ist, Celia, aber ich schon.«
Celias Augen funkelten. »Dann streitest du es also nicht ab. Du hast wohl etwas übrig für unseren hübschen Doktor?«
Roses Gewissen kämpfte mit ihrem Mund. Sie glaubte nicht an Lügen. »Natürlich habe ich etwas für ihn übrig. Aber nur als Freund. Meine Position erlaubt nicht mehr.«
Celia nickte. »Natürlich. Ach, übrigens, du weißt, dass euer ehemaliges Hausmädchen wieder schwanger ist, nicht wahr? Maya, so heißt sie doch?«
Phoebes Verlobung mit Christian hielt genau zwei Monate. Keine zwei Wochen später ging sie die nächste ein, dieses Mal mit einem neuen Kautschukpflanzer namens Hugo, dessen Familie Ländereien in Sussex besaß. Die Cuthbert Coopers brachen daraufhin den Kontakt ab, sodass selbst Charles seine Schwägerin davor warnte, sich zu forsch zu verhalten.
Phoebe blickte ihn daraufhin scharf an. »Forsch? Was du nicht sagst, Charles. Und wie lautet die Bezeichnung für Ehemänner, die sich ähnlich verhalten?«
Rose wollte kaum ihren Ohren trauen, aber Charles erhob sich einfach vom Tisch, schob seinen Stuhl zur Seite und verließ den Raum.
»Tut mir leid, Rose, aber sein Benehmen ist einfach unerträglich.« Phoebe zündete sich eine Zigarette an und ging hinaus auf die Veranda. »Ich weiß nicht, wie du das aushältst. Im Club reden alle darüber.«
Rose folgte ihr hinaus. »Was meinst du damit?«
Phoebe schenkte ihr einen mitleidigen Blick. »Du weißt genau, was ich meine. Dein Mann ist ein Schürzenjäger. Einer, der sich nicht mit Flirten begnügt, einer, dem man nicht vertrauen kann. Warum kommst du nicht mit mir zurück nach England?«
Die Versuchung war groß. Aber die Jungs würden im nächsten Sommer kommen. Vielleicht würde Charles dann ja beginnen, sich zu ändern.
»Du hast offenbar mehr Vertrauen als ich.« Phoebe warf ihre Zigarette auf den Boden und drückte sie mit dem Absatz aus. »Ernsthaft, Rose, willst du so enden wie Mutter und die Spielchen deines Mannes weiter ignorieren? Ich dachte, du wärst aus anderem Holz geschnitzt. Übrigens, würde es dir etwas ausmachen, mir für heute Abend deine Perlen zu leihen?«
Die Frage überraschte Rose. Automatisch wanderte ihre Hand an ihren Hals, um die Perlen zu berühren. Sie waren inzwischen so sehr ein Teil von ihr, dass sie häufig vergaß zu prüfen, ob sie noch da waren.
»Tut mir leid, aber ich nehme sie nie ab.«
Phoebes Oberlippe kräuselte sich zu einem herablassenden Lächeln, als empfände sie Mitleid. »Wirklich? Niemals?«
Rose dachte daran, dass sie das Collier beinahe an Maya verloren hatte.
»Niemals.«
»Ich verstehe.« Phoebes Stimme klang kühl. »Ich muss sagen, ich finde es ziemlich unfair, dass du sie für dich allein haben willst. Ich hoffe, Mama vergisst nicht, mir auch etwas zu meiner Hochzeit zu schenken.«
Im Prinzip waren alle erleichtert, als Phoebe schließlich nach einem Aufenthalt abreiste, der ursprünglich für zwei Monate geplant gewesen war, aber letzten Endes vier dauerte. Auch wunderte sich niemand, dass Rose einen Brief von ihrer Schwester erhielt, in dem sie mitteilte, dass sie ihre Verlobung gelöst habe, weil sie auf der Überfahrt nach England einen anderen kennengelernt hatte.
»Er ist ein Gutsbesitzer«, berichtete sie Rose begeistert in runder, selbstsicherer Handschrift. »Nach genauerer Überlegung denke ich, dass dieses Leben besser zu mir passt als das oberflächliche Leben, das du auf Borneo führst.«
Oberflächlich? Rose konnte nicht umhin, ihr recht zu geben. Aber in der Zwischenzeit hatte
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