Perlentöchter
Charles’ neue Stelle war, wie sich herausstellte, die eines Gutsverwalters für einen wohlhabenden Nachbarn in Woking, der prompt nach kurzer Zeit seine Ländereien verkaufte, was Charles arbeitslos machte. Rose musste ihm zugestehen, dass er rasch neue Arbeit in einem Bereich fand, der sich vage »Verkauf« nannte, in einem Unternehmen, das ein Produkt mit der Bezeichnung Hoover vertrieb.
Dieses Gerät war eine unglaubliche Erfindung! Man brauchte es nur einzustecken – was für ein Genuss, elektrischen Strom zu haben statt Öllampen, wie sie es von Borneo gewohnt war –, und der Teppich wurde gereinigt, wenn auch eine gewisse Anstrengung erforderlich war, um den Staubsauger zu bewegen. Eine ähnliche Anstrengung sei auch erforderlich, versicherte ihr Charles, um dieses neue Produkt zu verkaufen, was zur Folge habe, dass er häufig unterwegs sein werde, am Ende wochenlang.
Rose war froh darüber. Sie atmete auf, wenn Charles aus dem Haus war. Dann brauchte sie sich keine Sorgen zu machen, dass er gereizt reagierte, wenn die Kinder zu laut wurden. Außerdem war es billiger, denn das bisschen Geld, das ihnen zur Verfügung stand, wurde so nicht für Whisky oder Zigaretten ausgegeben. Charles’ Abwesenheit erlaubte ihr ferner, ungestört Edwards Briefe zu öffnen.
Schon erstaunlich, dass es viel einfacher war, ihre Gefühle zu Papier zu bringen – als wäre dies weniger illoyal –, als ihrem Freund, dem Doktor, von Angesicht zu Angesicht zu sagen, dass sie die Gespräche mit ihm vermisste und dass sie ein weiteres Kind bekommen hatte. Sie brachte es fertig, dies in Worten auszudrücken, die zwar die genauen Umstände der Empfängnis aussparten, aber genug verrieten, dass Edward alarmiert war.
»Ich werde bald in England sein«, teilte er ihr in seinem letzten Brief mit. »Dann müssen wir unbedingt reden.«
Monate verstrichen. Schließlich war über ein Jahr vergangen, ohne dass Edward auftauchte. Die Aussicht auf seine Rückkehr erschreckte und begeisterte Rose gleichermaßen. Was würde er in diesem Zustand von ihr halten, fragte sie sich, während sie einen Blick in den Spiegel warf auf ihr Haar, das flach und leblos herunterhing, seit sie wieder in England war. »Dann unternimm etwas dagegen!« Graces Stimme, die in letzter Zeit verstummt war, ertönte plötzlich laut in ihrem Kopf. »Geh in den Laden an der Ecke und kauf dir eine Dauerwellenmischung. Leg deine Ohrringe an, die runden Perlen, die Charles dir in Jesselton gekauft hat. Und wenn du schon einmal dabei bist, warum suchst du dir nicht gleich eine Arbeit?«
Eine Arbeit? Bevor sie nach Borneo gegangen war, kam es praktisch nicht vor, dass eine Frau einer Beschäftigung nachging, aber nun, da sich der nächste Krieg ankündigte, berichteten die Zeitungen, dass mehr Frauen gebraucht wurden, um die Arbeit der Männer zu verrichten, wenn diese ihren Marschbefehl erhielten. Natürlich handelte es sich um bloße Spekulation, wie ihr Vater sagte, während Charles von dieser Aussicht begeistert war. Tatsächlich wirkte er in letzter Zeit bei seiner Rückkehr am Wochenende gelöster. Vielleicht war das Leben doch nicht so unerträglich.
Sie hatte sich zu früh gefreut. Wenige Wochen später erkannte Rose den Grund für die gute Laune ihres Ehemanns. Eines Abends, als Charles nach mehreren Wochen Abwesenheit zurückkehrte, in denen er unterwegs gewesen war, um das unglaubliche Teppichreinigungsgerät zu verkaufen, kam er in Begleitung einer großen, dunkelhaarigen Frau mit einem wissenden Lächeln und vollen roten Lippen, die in der Außenbeleuchtung sehr glänzend aussahen.
»Das ist Edna.« Charles rauschte an ihr vorbei und ließ die beiden Frauen von Angesicht zu Angesicht stehen. »Sie hat ihre Arbeit in der Firma verloren und sucht daher eine neue Stelle. Ich habe ihr gesagt, dass wir eine Haushälterin brauchen.«
Eine Haushälterin? War er jetzt vollkommen übergeschnappt? Wie sollten sie sich eine Haushaltshilfe leisten, wenn doch kaum genügend Geld hereinkam, um vier Kinder zu ernähren und einzukleiden? Trotz der Unterstützung ihres Vaters reichte es so schon kaum.
»Sie verlangt nicht viel«, erklärte Charles später am Abend, als Rose versuchte, in der sogenannten Privatsphäre ihres Schlafzimmers Einwände zu erheben. Das Haus hatte sehr dünne Wände, und Rose war sich bewusst, dass diese Frau gleich nebenan war. »Du hast doch gesagt, du möchtest dich in diesem Kaufhaus bewerben, wo sie Leute suchen. Nun, das kannst du jetzt tun.
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