Perlentöchter
Edna wird sich um die Kinder kümmern.«
»Und wovon sollen wir sie bezahlen?«
Selbst im Dunkeln nahm sie wahr, dass seine Hand sich ihrem Hals näherte. Sie erstarrte. Aber statt ihren Hals zu umklammern, wie er das zuvor getan hatte, spürte sie, dass er die Perlen berührte. »Du kannst das Collier versetzen«, sagte er. »Komm schon, Rose. Wir alle müssen Opfer bringen. Das ist das Mindeste, was du tun kannst.«
Sie sollte ihre Perlen versetzen, damit ihr Ehemann sich eine Geliebte leisten konnte? Es war, als würde sein Vorschlag endlich das Tor in ihrem Kopf öffnen – dasselbe, das ihr seit ihrer Rückkehr nach England immer wieder Kopfschmerzen verursachte. Sie ließ sich ja einiges von ihrem Mann gefallen, aber das ging zu weit. Sicher würde ihr Vater nun begreifen, dass Charles unmöglich war, und schließlich seine Tür für sie offen halten.
Am folgenden Tag ließ Rose die Kinder in Ednas Obhut. Edna war eine schrecklich gewöhnliche Person, und dennoch empfand Rose nicht die geringste Eifersucht, vielleicht weil sie Charles nicht mehr liebte. Die Fahrt im Bus und anschließend im Zug zu ihrem Vater kam ihr vor wie eine Ewigkeit, während sie sich auf ihr Elternhaus freute, aber als das Dienstmädchen mit geröteten Augen die Tür öffnete, ahnte sie sofort, dass etwas nicht stimmte.
»Deine Mutter ist letzte Nacht gestorben.« Ihr Vater sprach in einem sachlichen Ton, während sie in der Eingangshalle stand, nach wie vor in ihrer Jacke. »Ich werde ihr später Gesellschaft leisten.«
Rose blickte zu dem Hausmädchen, um zu sehen, ob sie richtig verstanden hatte. »Und danach«, fuhr er fort, »werden wir zu Abend speisen. Passt es dir um halb neun? Oder möchtest du stattdessen lieber schwimmen gehen?«
Sein Verstand funktioniere nicht mehr, sagte der Arzt, den Rose sofort gerufen hatte. Schließlich sei er fast achtzig und habe ein bewegtes Leben hinter sich. Er sei nun auf ständige Pflege und Ruhe angewiesen. Nein, kleine Kinder im Haus seien wahrscheinlich keine gute Idee.
Als Rose an jenem Abend zurückkehrte, stellte sie fest, dass Charles vor ihr nach Hause gekommen war, den hastigen Schritten oben und der Schlafzimmertür nach zu urteilen, die sich öffnete und wieder schloss. Wenige Minuten später kam er herunter und machte einen leicht zerzausten Eindruck, während sein Hemdkragen offen stand. »Ah, Rose. Du bist zurück. Wie viel hast du bekommen?« Sein Blick wanderte zu ihrem Hals, und er runzelte die Stirn. »Du hast sie nicht ins Pfandhaus gebracht?«
»Nein.« Sie nahm den Brief von dem Teller in der Diele und ging an Charles vorbei in Richtung Wohnzimmer. »Nein, das habe ich nicht getan. Und das werde ich auch nicht tun, außer du gibst deine Geliebte auf. Streite es nicht ab, Charles. Ich bin nicht dumm. Und ich habe auch nicht vor, meine Kinder bei dieser Frau zu lassen, wenn ich arbeite. Helen kann eine Ganztagsschule besuchen, und für Frank finde ich auch eine Lösung.«
»Ach ja?« Er begann zu lachen. »Die Dinge werden sich ändern, Rose. Dinge, die selbst du nicht kontrollieren kannst. Es wird einen Krieg geben. Glaub mir. Ich kann die Anzeichen sehen.«
Gleich darauf hörte sie ihn die Treppe hochstürmen. Gut. Mit dem Brief, den sie in ihren Rockfalten versteckt hatte, eilte sie ins Wohnzimmer und schloss die Tür hinter sich. Dann öffnete sie Edwards neueste Botschaft in den unverwechselbaren, kräftigen Federstrichen und begann zu lesen.
23
Niemand, nicht einmal Charles, konnte vorhersehen, welche Wendung die Ereignisse nahmen, die nicht nur den Haushalt der Macintyres in Chaos stürzten, sondern ganz Europa.
Der nächste Krieg, dachte Rose mit einem kalten Frösteln im Nacken, nachdem Charles es abgelehnt hatte, sich zu ihr zu setzen und Churchills Ansprache im Rundfunk zu verfolgen.
»Ich weiß bereits, was der Mann sagen wird«, verkündete er großspurig. »Ich habe schließlich Freunde in hohen Positionen.«
Stimmte das? Möglicherweise. Möglicherweise auch nicht. Dank seiner arroganten Fantasie glaubte Charles oft selbst die wilden Geschichten, die er erzählte, was zur Folge hatte, dass viele seiner Zuhörer sie auch glaubten. Edna wohl inbegriffen.
Das Schlimmste war, dass Edna sogar recht gut mit den Kindern zurechtkam, obwohl es für Rose unerträglich war, diese Frau in ihre Nähe zu lassen. Aber die Kälte, mit der Rose ihr begegnete, bewirkte lediglich, wenn überhaupt etwas, dass Edna noch freundlicher zu den Kindern war, fast so, als
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