Perlentöchter
sie ganz andere Sorgen, als sich über Phoebe Gedanken zu machen. Die Jungs würden im Sommer nach Hause kommen, und sie konnte es kaum erwarten.
Zweimal waren die Jungs in den Sommerferien nach Hause gekommen, und Rose hatte es jedes Mal genossen, alle drei Kinder vereint zu sehen.
»Sie vermissen Ihre Söhne sicher immer noch sehr«, bemerkte Edward, als er eines Tages zu Besuch kam.
Sie nickte. »In der Tat.«
Er blickte finster auf ihre Unterarme. Hastig versuchte Rose, sie eng an den Körper zu drücken, aber nicht schnell genug. Gewöhnlich trug sie lange Ärmel, um die Blutergüsse zu verstecken, aber heute war es so heiß. »Wann werden Sie etwas dagegen unternehmen?«, fragte er leise.
Sie hörte, wie ihre Stimme laut wurde. »Was schlagen Sie vor? Ich kann wohl schlecht mit drei kleinen Kindern nach England zurückgehen.«
»Doch, genau das könnten Sie tun.« Wieder wurde er ganz leise. »Ich beabsichtige, die Insel in einem Jahr zu verlassen. Kommen Sie mit mir.«
»Sind Sie wahnsinnig?«
Er nickte. »Vielleicht. Aber wenn ich es jetzt nicht sage, werde ich es für den Rest meines Lebens bereuen. Ich liebe Sie, Rose. Und das vom ersten Moment an, als ich Sie gesehen habe. Verlassen Sie diesen Grobian, mit dem Sie verheiratet sind. Gehen Sie mit mir nach England. Ich werde mich um Sie und Ihre Kinder kümmern.«
»Ich kann nicht.« Die Worte kamen aus ihrem Mund, während ihr Körper noch den Schock verarbeitete und es sie heiß durchfuhr, als hätte sie es schon immer geahnt. Hätte sie damals in London Edward vor Charles kennengelernt, hätte sie nicht gezögert. Noch nie war sie einem Mann begegnet, mit dem sie derart ungezwungen reden konnte und der ihr durch seine bloße Gegenwart ein solches Kribbeln im Bauch verursachte. Trotzdem, nun war das unmöglich! Absolut unmöglich.
»Bitte, Edward, sagen Sie nichts weiter. Charles sieht zu uns herüber. Tun Sie so, als würden Sie Radio hören.«
Das war nicht schwierig. Ihre kleine Welt wartete schon seit geraumer Zeit gespannt auf Neuigkeiten, nachdem es Gerüchte gab, dass der König abdanken wollte. Während sich alle auf der Veranda versammelten, um den knisternden Stimmen des Auslandsfunks zu lauschen, die nun das Gerücht offiziell bestätigten, spürte Rose das dringende Bedürfnis, nach Hause zurückzukehren, bevor sich dort noch mehr veränderte.
Diese Nachricht schien alle zu beunruhigen. An jenem Abend kam Charles zu ihr ins Zimmer. Er hatte es seit Monaten nicht mehr betreten, und als Rose das Knarren der Tür hörte, überkam sie zuerst die verrückte Hoffnung, dass es Edward war. Aber als sie die langsamen, schweren Schritte ihres Mannes erkannte, sank sie zurück in das Kissen. Es hatte keinen Sinn, sich zu widersetzen.
»So«, sagte er, als er endlich fertig war. »Und sollte ich dich jemals wieder dabei erwischen, dass du dem Doktor schöne Augen machst so wie heute, wird es Ärger geben. Hast du verstanden, Rose? Übrigens habe ich eine Entscheidung getroffen. Wir werden nach England zurückkehren, sobald ich für uns alle einen Platz für die Überfahrt bekomme. Du fängst also besser schon einmal an zu packen.«
22
England? Rose überlegte nun seit Jahren, nach England zurückzukehren. Aber sie wäre nie auf die Idee gekommen, dass ihr Ehemann sie begleiten würde. Wie würde er zurechtkommen in einer realen Welt, wo es niemanden gab, den man anbrüllen konnte, niemanden, dem man befehlen konnte, niemanden, der sich duckte, wenn er aus Langeweile mit dem Luftgewehr in das Gelände zielte und abdrückte? Tatsächlich hatte er neulich beinahe jemanden getroffen.
»Hörst du mir eigentlich nie zu, Rose?« Sein Ton war kühl. Humorlos. »Die Kautschukindustrie steckt in der Krise. Wir können es uns nicht leisten zu bleiben.«
Aber was sollten sie dann tun? Sicher gab es in England keine besonders hohe Nachfrage nach ehemaligen Kautschukpflanzern.
»Wage es nicht, dich über mich lustig zu machen.« Seine Augenbrauen verwoben sich ineinander. »Duncan hat Pläne mit mir. Er braucht Hilfe auf seinem Gut.«
Aber das war in Schottland, viele Meilen von den Jungs entfernt.
»Keine Sorge.« Charles’ Gesicht verzerrte sich in grausamer Belustigung, und Rose fragte sich nicht zum ersten Mal, wann genau er aufgehört hatte, dieser attraktive, charmante, zuvorkommende Mann von Welt zu sein, der sie vor all den Jahren im Sturm erobert hatte. »Weder erwarte ich, noch ist es mein Wunsch, dass du mit mir auf dem Gut lebst. Ich
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