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Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition)

Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pascal Mercier
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abgeklungen war. Millar gab sich Mühe und kleidete seine Einwände in Frageform. Aus Evelyn Mistral sprudelte es heute zum Glück nur so heraus, und als sie den Botschaften, welche die Tiere ihrer Ansicht nach austauschten, eine burschikose sprachliche Form gab, die zudem einige lustige grammatische Fehler enthielt, mußte auch Laura Sand schließlich lachen.
    Perlmann sagte nichts. Es ging auf ein Uhr, und er probte innerlich die Sätze für Maria; denn daß er ein zweites Mal unbemerkt an ihr vorbeikam, wo sie doch auf seinen Text wartete, war höchst unwahrscheinlich.
    Er finde diesen ganzen Stoff unerhört spannend, sagte Millar, als Laura Sand auf die Uhr sah und ihre Papiere zusammenschob. Und deshalb schlage er vor, damit auch am Montag noch weiterzumachen. Er blätterte in den Texten.«Und am Dienstag. Denn auch theoretisch gibt es da noch vieles, worüber ich mehr wissen möchte. »
    Laura Sand ließ sich Zeit, bis sie seinen erwartungsvollen Blick erwiderte. «Okay», sagte sie dann, und die Art, wie sie Millars Yankee-Tonfall imitierte, war das Zeichen, daß sie sein Versöhnungsangebot annahm. Millar rückte mit dem Zeigefinger die Brille über der Nase zurecht. «Swell.» Sie verzog das Gesicht ob dieser Ausdrucksweise. Um seinen Mund herum zuckte es.
    Perlmann rechnete fieberhaft: Das hieß, daß die zweite Hälfte der kommenden Woche von Evelyn Mistral bestritten wurde und er erst am Montag der letzten Woche dran war. Spätestens am Samstag vorher mußte der Text in den Fächern sein. Also mußte ihn Maria Mittwoch morgen haben, spätestens Donnerstag. Fünfeinhalb Tage. Das könnte reichen. Sein Herz hämmerte. Plötzlich war alles wieder offen.
    «Wenn wir gerade dabei sind», sagte Silvestri in Perlmanns Rechnung hinein:«Ich kann, was die letzte Woche betrifft, nur am Anfang. Ab Donnerstag muß ich leider in der Klinik einiges regeln. »Er sah Perlmann an.«Ich werde also bei Ihrer Sitzung, die dann wohl am Ende stattfinden wird, nicht dabei sein können. Aber ich bekomme ja den Text.»
    «Natürlich», sagte Perlmann heiser. Eine Woche, ich habe eine ganze Woche gewonnen.
    Wie betäubt vor Erleichterung ging er durch den Salon. In der Halle wartete Maria auf ihn. Mit einer Geistesgegenwart, die ihn nachher ebenso überraschte wie abstieß, ging er auf sie zu.
    «Ich bin am Morgen gar nicht dazu gekommen, es Ihnen zu sagen. Es hat sich im Zeitplan einiges geändert, und nun werde ich die Gelegenheit nutzen und meinen Text noch einmal überarbeiten. Wie es jetzt aussieht, brauchen Sie sich erst ab nächstem Freitag damit zu beschäftigen. »
    «Ach so», sagte sie ein bißchen irritiert und fuhr sich mit der Hand seitlich durchs Haar, so daß das Ohrgehänge leise klirrte.«Was soll ich... na ja, klar, ich schreibe einfach an Ihrem anderen Text weiter. Oder?»
    Während Marias letzten Worten war Evelyn Mistral zu ihnen getreten.
    «Ja, tun Sie das», sagte Perlmann und mußte nachher mit der Zunge über die Lippen fahren.
    «Du hast viel geschrieben in dieser Zeit, nicht wahr?»sagte Evelyn zu ihm, als sie nebeneinander durch die Halle gingen.«Ganz im verborgenen!»
    Perlmann machte eine hilflose Grimasse und zuckte mit den Schultern.
    «Und ich habe jetzt eine halbe Woche gewonnen. Nicht schlecht. Obwohl: Eigentlich bin ich fertig und fast ein bißchen enttäuscht, bis Donnerstag warten zu müssen. Albern, nicht? Dabei habe ich solches Lampenfieber!»
    Nein, sagte Perlmann, für einen Stadtbummel habe er keine Zeit, er wolle noch etwas durcharbeiten. Aber am Sonntag, ja, da sei er dafür wieder zu haben, ganz bestimmt.
     
    Er saß fast eine Stunde im roten Sessel, bevor ihm klar wurde, was los war. Vorhin, als er sich von Evelyn Mistral getrennt hatte und mit energischen Schritten, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinaufgegangen war, hatte er sich darauf gefreut, seine Erleichterung zu genießen, und gleichzeitig hatte er zum erstenmal seit langem wieder so etwas wie Spannkraft empfunden. In dieser einen Woche, die ihm nun plötzlich zur Verfügung stand, würde er doch noch etwas zustande bringen. Doch als er dann eine Zigarette angezündet und zu seiner Überraschung die Füße auf den runden Tisch gelegt hatte, war die Erleichterung, von der er sich soviel versprochen hatte, ausgeblieben, und es hatte nicht das geringste genützt, sich die unerwartete, glückliche Wendung der Dinge vorzusagen. Kleinlaut hatte er die Füße vom Tisch genommen und sich gerade hingesetzt. Und erst

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