Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition)
Zeichen und ging schwerfällig die Treppe hinunter. Perlmann setzte das Gepäck ab und ging zurück in die Halle. Er sah Signora Morelli an und hatte keine Ahnung, was er hatte sagen wollen.
«Ist noch was?»fragte sie lächelnd.
«Nein, nein. Ich... äh... wollte nur sagen: Es war gut, daß Sie in diesen Wochen da waren.»Und dann, als ihre Hand verlegen ans Tuch faßte, fügte er rasch hinzu:«Sind Sie mit der Steuer jetzt fertig?»
«Ja», lachte sie,«Gott sei Dank. »
«Also dann», sagte er.
«Ja. Gute Reise. »
Perlmann war erleichtert, daß Leskov sich neben den Fahrer gesetzt hatte. Er lehnte sich hinter ihm ins Polster und schloß die Augen. Die Nachwirkung der Schlaftablette drückte auf die Augen. Gegen seine Gewohnheit hatte er sich vorhin, als das Taxi um die Kurve bog, nicht nach dem Hotel umgedreht. Jetzt sah er es noch einmal in allen Einzelheiten vor sich, und auch die Stufen zur Veranda Marconi stieg er noch einmal hinauf. Es war vorbei. Vorbei.
«Für eine Veröffentlichung könnte ich eine kürzere Fassung machen», sagte Leskov.«Was meinst du?»Trotz mehrerer ächzender Versuche war es ihm nicht gelungen, sich ganz umzudrehen, und nun blickte er am Hinterkopf des Fahrers vorbei zum Fenster hinaus.
Perlmann stemmte die Fäuste ins Polster. Er müsse sich die ganze Sache mit der Veröffentlichung erst einmal gründlich durch den Kopf gehen lassen, sagte er.
Nach einer längeren Pause, in der er in einen Halbschlaf geglitten war, schlug die Rückenlehne des Vordersitzes gegen seine Knie. Leskov hatte den Sicherheitsgurt gelöst, wälzte sich auf die rechte Seite und versuchte, auch jetzt vergeblich, sich ganz zu Perlmann umzudrehen.
«Ich traue mich kaum, das anzuschneiden», sagte er in seinem unterwürfigen Ton,«aber du selbst würdest wohl meinen Text nicht übersetzen wollen?»
Perlmann erstarrte und war froh, daß es jetzt ein ruckartiges Überholmanöver gab, bei dem der Fahrer fluchte.
«Ich dachte nur: weil du meine Überlegungen so gut kennst und ihnen mit so viel Interesse begegnet bist», fügte Leskov zögernd, beinahe schuldbewußt hinzu, als er keine Antwort bekam.
Erst jetzt gelang es Perlmann, seine Erstarrung abzuschütteln.«Es wird rein zeitlich nicht gehen», hörte er sich mit hohler Stimme sagen.«Jetzt kommt das Semester...»
«Ich weiß», sagte Leskov rasch,«und dann willst du sicher an deinem Buch weiterschreiben. Da wollte ich dich übrigens fragen, ob ich das, was davon bereits fertig ist, lesen könnte. Du kannst dir ja denken, wie brennend es mich interessiert. »
Perlmann hatte das Gefühl, daß eine tonnenschwere Last auf der Brust ihn am Atmen hinderte.«Später einmal», sagte er schließlich, als Leskov den Sicherheitsgurt längst wieder eingeklinkt hatte.
«Der Mann mit der Mütze hat auch heute Dienst», lachte Leskov, als das Taxi am Parkhäuschen vorbei zum Eingang des Flughafens fuhr.«Den werde ich so schnell nicht vergessen. Etwas derart Stures! »
Als sie dann in der Schlange vor dem Abfertigungsschalter standen, sagte er plötzlich, er hoffe, die Maschine sei nicht so voll wie beim Herflug, wo er wegen des Handkoffers nicht gewußt habe, wohin mit den Füßen. Schließlich habe ihn die Stewardess erlöst, indem sie den Handkoffer irgendwo hinten verstaute.
«Wenigstens bin ich auf diese Weise sicher, daß ich den Text nicht auf dieser Strecke vergessen habe», sagte er mit schiefem Lächeln.«Du mußt mir ganz fest die Daumen drücken, daß ich ihn vorfinde, wenn ich in... warte... in fünfzehn Stunden die Wohnung betrete. »
Langsam gingen sie auf die Paßkontrolle zu. Noch zwei, drei Minuten.
Leskov setzte den Handkoffer ab.«Wenn du deine Wohnung betrittst, kommt sie dir sicher auch heute noch leer vor. Oder?»
Für einen kurzen Moment spürte Perlmann die gleiche Wut wie damals im stillen Tunnel, es war, als habe sie nur für wenige Minuten ausgesetzt und nicht für mehrere Tage.
«Kirsten wird dort sein», log er. Und dann, entgegen seiner Absicht, fragte er es doch:«Klim Samgin – wie bewältigt er das Trauma? Oder wird er nie damit fertig?»
Leskov machte das Gesicht eines wenig beachteten Menschen, der völlig unerwartet erfährt, daß man sich für ihn, für ihn ganz persönlich, interessiert.
«Darüber habe ich viel nachgedacht. Aber es ist sonderbar: Gorkij beantwortet diese Frage nicht. Einerseits blitzt die Erinnerung an das Eisloch immer wieder auf; andererseits erfährt man nichts darüber, wie es Klim
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